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Blut und Harz

Blut und Harz

Titel: Blut und Harz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timo Leibig
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Heathrow-Airport, weil die Flughafenleitung mit dem Räumen der Start-und Landebahnen nicht hinterherkam. Es herrschte Chaos.
    Nur dieses Mal waren es keine fünf Zentimeter, die in wenigen Stunden überraschend gefallen und liegengeblieben waren, sondern fünfundvierzig. Erik schüttelte schnaubend den Kopf.
Das Wetter spielte dieses Jahr vollkommen verrückt. Erst der schreckliche Tornado über Berlin und wenige Tage später ein eiszeitlicher Wintereinbruch in Südengland. Und das im goldenen Oktober, wo man normalerweise zum Wandern ging, in England das noch milde Wetter an der Südküste genoss und in Berlin dem Tiergarten und den Parks frönte.
    Erik konnte sich noch gut an eine weit zurückliegende, winterliche Geschäftsreise nach Cornwall erinnern. Damals hatte es auch geschneit. Drei Zentimeter. Der glitzernde Schnee war auf aufgefächerten Palmenblättern gelegen und die Augen der Kinder hatten vor Staunen geleuchtet. Ein einmaliges Schauspiel für die Einheimischen. Und nun: fast ein halber Meter! Zustände wie in Österreich.
    Erneut nahm er einen tiefen Schluck von seinem Cappuccino und legte das Handy beiseite. Die schlechten Nachrichten drückten seine Laune. Die Behörden hatten für England eine undefinierbare Zahl von Toten prognostiziert. Niemand wusste wie viel es noch schneien würde und wie lange die kalte Schicht liegen blieb. Niemand war darauf vorbereitet. Erik hatte genug von schlechten Neuigkeiten.
    Er hoffte nur, dass sich das englische Wetter, das alle Meteorologen in Staunen und Grübeln versetzte, nicht nach Deutschland ausbreiten würde. Der Aushub für das Hotel musste dieses Jahr noch vor dem Wintereinbruch stattfinden. Wenn der Boden erst einmal gefroren war, dann brachten selbst die schwersten Baggergeschütze nichts mehr. Ein fest vereister Waldboden, durchwirkt mit dicken, drahtigen Wurzeln abgeholzter Baumstämme war so hart wie Stahlbeton. Die Baufirmen würden sich die Zähne daran ausbeißen.
    Spekulationen beiseite.
    Erik schob die negativen Gedanken zurück in eine Schublade und verschloss sie mental. Heute war nicht der richtige Zeitpunkt für depressive Schübe. Er hatte sich ganz bewusst für diesen Samstag eine kurze Auszeit genommen. Zufrieden schlürfte er den Rest des gesüßten Kaffees hinunter. Dunkle Kaffeeflöckchen und Reste karamellisierten Zuckers sammelten sich am Grund der Tasse, die er leer zurück auf den Tisch stellte. Mit einer zeigenden Bewegung seiner rechten Hand signalisierte Erik der Thekendame, dass er noch einen Cappuccino möchte. Diese nickte quer durch den gefüllten Gastraum und machte sich gleich an der breiten Siebträgermaschine mit drei Sieben zu schaffen. Das Chrom der altehrwürdigen Faema E61 aus dem Jahre 1964 glänzte poliert im freundlichen Licht der Innenraumbeleuchtung.
    Erik schlug die Beine übereinander und wartete auf seinen zweiten Kaffee. Seine Gedanken wanderten zurück zu den letzten Tagen. Seit dem aufreibenden Gespräch mit Reimund am Mittwoch war der Rest der Woche so gut wie ereignislos verlaufen.
    Der Heraldiker, den Frau Schwarz beauftragt hatte, würde erst Anfang der nächsten Woche etwas sagen können. Er war über den Auftrag äußert erfreut und hatte am Telefon seine Begeisterung versichert. Ein solches Wappen hatte er zwar scheinbar selbst noch nicht zu Gesicht bekommen, doch er würde Alles darüber herausfinden, was es zu finden gab. Selbst wenn er, auf seine eigenen Kosten natürlich, einen Kollegen mit ins Boot holen müsse. Erik war es egal, wie der Mann seinen Job erledigte. Hauptsache die Ergebnisse passten.
    Die freundliche Bedienung stellte den zweiten Cappuccino auf den Tisch. Mit ihr wurde der Geruch nach Zimt und Orangen herangetrieben. Als Quelle machte Erik zwei dampfende Tassen Tee aus, die noch auf dem Tablett der Bedienung standen, irgendein Weihnachtstraum oder ein Wintertraum oder ein Herbsttraum oder wie sie auch alle hießen. Er bedankte sich freundlich und wandte sich wieder seinem Kaffee zu. Im cremigen Milchschaum war eine kunstvolle Baumverzierung in Brauntönen eingearbeitet. Latte Art vom Feinsten. Die Dame hinter dem Tresen an der Maschine war wahrlich eine Baristameisterin.
    Wären doch alle Dinge so schön und einfach, stellte er bitter fest. Warum musste er sich ausgerechnet mit tausend Problemen herumschlagen? Warum konnten seine Projekte nicht auch so locker flockig aus dem Handgelenk klappen, wie die Baristakünste?
    Mit mürrischer Miene dachte er an das mit Spannung erwartete

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