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Blut und Silber

Blut und Silber

Titel: Blut und Silber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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hatte.
    Dann begann sie, das Blut von seiner Brust zu waschen und die Wunden zu säubern. Erneut zuckte er zusammen und fühlte das Salz wieder brennen. Doch bald verschaffte ihm ihre behutsame Pflege Linderung.
    »Ich beginne jetzt zu nähen«, erklärte sie; mehr als Ankündigung für ihn. »Es gibt dabei nichts Besonderes zu sehen. Wer mich nicht beschützen will, sollte besser wieder seinen Pflichten nachgehen, bevor man euch wegen eurer Nachlässigkeit bestraft.«
    Ein paar der Zuschauer gingen tatsächlich, die meisten aber blieben. Sie fühlten sich zum Schutz der jungen Frau unentbehrlich und wollten den Gefangenen leiden sehen.
    Änne führte den Faden durchs Nadelöhr und schob mit den Fingern ihrer Linken vorsichtig die auseinanderklaffende Haut zusammen.
    Liebster, was haben sie dir angetan?, dachte sie wohl zum hundertsten Male, seit sie hier saß. Und sie wusste, gleich würde sie ihm noch mehr Schmerzen zufügen, selbst wenn es unvermeidlich war.
    Sie beugte sich ganz nah zu ihm, als sähe sie schlecht, und wählte die Stelle für den ersten Einstich. Schon viele Wunden hatte sie nähen müssen und noch nie dabei gezögert. Doch jetzt wusste sie nicht, woher sie den Mut dazu nehmen sollte.
    »Gott segne Euch für Eure Barmherzigkeit, Herrin«, sagte Markus laut, um ihr die Furcht zu nehmen. Seine Stimme war eher ein Krächzen, jedes Wort musste ihm Qualen bereiten.
    »Keiner hat dir Abschaum erlaubt, mit ihr zu reden!«, raunzte einer der Umstehenden und wollte ihm einen Hieb versetzen.
    Änne sah auf und blickte den Störenfried scharf an. »Behindere mich nicht bei der Arbeit! Und tretet alle etwas zurück, ich brauche mehr Licht!«
    Widerspruchslos gehorchten die Männer.
    Erneut beugte sich Änne dicht über Markus’ Brust und begann ihre Arbeit. Sie setzte feine Stiche und bemühte sich, ihm nicht mehr als nötig weh zu tun. Doch die Vorstellung, was er durchlitten hatte und was ihm noch bevorstehen konnte, ließ ihre Selbstbeherrschung beinahe zerbrechen.
    Clementia erkannte, was in der jungen Frau vorging, und begann, das Schlimmste zu fürchten.
    »Habt ihr nicht gehört, ihr steht meiner Herrin im Licht! Und überhaupt, habt ihr nichts zu tun?« Ruppig wuchtete sie einem der Männer den Ellbogen in die Seite.
    Schon waren die Kerle abgelenkt und traten in Wettbewerb miteinander, um die Magd mit dem berüchtigten Schandmaul noch mehr in Rage zu bringen.
    Änne nutzte die Gelegenheit, während ihrer Näharbeit Markus mit den Fingerspitzen über die Haut zu streichen.
    »Liebster«, flüsterte sie verzweifelt.
    Er spürte eine Träne auf seine Haut tropfen.
    Selbst ein aufmerksamer Beobachter hätte kaum bemerkt, dass er seinen Kopf noch eine Winzigkeit mehr zu ihr neigte.
    »Gräme … dich nicht!«, wisperte er qualvoll, bemüht, die Lippen kaum zu bewegen.
    Vor Kummer schüttelte sie den Kopf. Er konnte es nicht sehen mit seiner Augenbinde, spürte aber die Bewegung, weil ihre Haube seinen Hals berührte.
    »Wann soll die Hinrichtung sein?«, flüsterte sie verzweifelt.
    »Nicht bald … sei … unbesorgt.«
    Unbesorgt?! Wie konnte er nur so etwas sagen?
    »Halte durch! Wir holen dich hier raus«, hauchte sie.
    Markus fuhr zusammen. »Nein!«
    Sein Schrei wurde von den Umherstehenden als Schmerzenslaut verstanden und mit boshaften Kommentaren aufgenommen. Die meisten waren ohnehin noch durch Clementia abgelenkt.
    »Falle!«, ächzte er leise. »Sie … warten … im Verlies.«
    Änne entgegnete nichts, sondern setzte weiter Stich an Stich. Sie musste sich beeilen, lange würden die Männer ihr nicht mehr gestatten, sich um den Gefangenen zu kümmern.
    Vor dem letzten Knoten zögerte sie. Wie sollte sie es über sich bringen, jetzt fortzugehen, ohne zu wissen, ob und wann sie ihn noch einmal sehen und berühren könnte?
    »Der Gedanke … an dich … gibt mir Kraft … zu ertragen …«, raunte er.
    Sie nickte, ohne zu bedenken, dass er das nicht sehen konnte.
    Dann rieb sie sich mit dem Arm übers Gesicht, als wolle sie eine lose Haarsträhne wegschieben oder den Schweiß abwischen. Niemand durfte ihre Tränen sehen.
    Mit einem Ruck erhob sie sich und packte Nadel und Faden in den Almosenbeutel.
    »So sollte er die nächsten Tage überleben, wenn es der Graf wünscht«, verkündete sie, scheinbar gleichgültig.
    »Oh, der hat noch einiges mit ihm vor«, erklärte großspurig einer der Wachen.
    Sein Nebenmann lachte böse. »Ja, wenn der Kerl sich im Korb ein bisschen ausgeruht hat,

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