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Blut und Silber

Blut und Silber

Titel: Blut und Silber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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Ulrich von Maltitz den jungen Burschen auf zu sprechen.
    »Zum Haushalt des Apothekers Jenzin, des Ratsherren, gehört ein Mädchen … sein Mündel …«
    Erschrocken sah er, dass der Gesichtsausdruck des Burgkommandanten abweisend wurde. Hastig sprach er weiter, um nicht in Verdacht zu geraten, den Ritter mit Weibergeschichten zu belästigen.
    »Sie kennt sich sehr gut damit aus, Salben und Tinkturen zu mischen und Verbände anzulegen. Vielleicht wäre es gut, wenn ich sie gleich auf die Burg mitbringe. Dann kann sie dem Feldscher zur Hand gehen, wenn wir angegriffen werden und es Verletzte gibt.«
    Mit der zynischen Abgeklärtheit durch jahrelange Kampferfahrung dachte Ulrich: Wenn wir angegriffen werden, lassen Kräuter abgeschlagene Gliedmaßen nicht nachwachsen. Sofern wir überhaupt Zeit haben, uns um die Verletzten zu kümmern. Und dann müssen wir uns sorgen, wie wir den Gefallenen ein christliches Begräbnis zuteilwerden lassen, wo doch das Erdreich drei Ellen tief gefroren ist. Das einzig Gute an dieser Jahreszeit: Es ist zu kalt, um Seuchen fürchten zu müssen. Doch diese düsteren Gedanken behielt er für sich. Wer weiß, vielleicht konnte ihnen das Mädchen ja wirklich von Nutzen sein.
    »Gut. Ich bespreche das morgen selbst mit dem Ratsherrn.«
    Jan gab sich alle Mühe, seine Enttäuschung nicht zu zeigen. Er hätte Änne gern noch diesen Abend aus der Reichweite des für seine Strenge bekannten Apothekers geholt. Nicht etwa, weil er sie liebte. Dafür war sie viel zu unscheinbar: stets nur in verschlissenes Leinen gehüllt, das Haar unter einem Tuch verborgen und nicht selten mit einem blau geschlagenen Auge oder einer dick geschwollenen Wange. Er kannte niemanden, der so durch und durch verängstigt war wie sie. Außerdem gab es unschöne Gerüchte über ihre Herkunft. Er sah sie oft, wenn sie in der wärmeren Jahreszeit durch sein Tor ging, um Kräuter zu sammeln oder nach seltenen Wurzeln zu graben. Sie war nicht hübsch, aber sie hatte ein gutes Herz. Er wäre heute vielleicht ein Krüppel, hätte sie sich nicht letzten Herbst von sich aus um eine schwärende Wunde an seiner Schwerthand gekümmert. Außerdem tat sie ihm leid. Es war nicht zu übersehen, dass der Apotheker sie nicht besonders gut behandelte. Heute war das Mädchen wie von Hunden gehetzt durch die Gassen gerannt. Etwas musste vorgefallen sein, wofür Jenzin sie sicher bestrafen würde, und das wollte Jan verhindern.
    Vielleicht kam er noch zur rechten Zeit.
    Mit einer Verbeugung verabschiedete er sich vom Burghauptmann, half Sibylla auf und ging mit ihr hinaus.
    Als Ulrich allein war, ging er zum Fenster, starrte erneut aus der schmalen Luke ins Dunkle und wartete auf den Bürgermeister, den Bergmeister und den Rabbiner.

Im Dunkel der Nacht
    D er Apotheker Jenzin, zu dem Jan Sibylla im Auftrag des Burgkommandanten führte, war in diesem Augenblick so sehr beschäftigt, dass er das Hämmern an seiner Tür gar nicht hörte.
    »Ich werde dich lehren, was es heißt, nicht zu gehorchen!«, schrie er die zusammengekauerte Gestalt an, die die Arme schützend um den Kopf gelegt hatte.
    Doch der hochgewachsene, hagere Apotheker ließ sich davon nicht abhalten. Er packte sein Mündel grob am Arm und zerrte es auf die Beine. Zufrieden sah er, dass sich auf der linken Wange des Mädchens flammend rot der Abdruck seiner Hand abzeichnete. Er drehte sie mit dem Gesicht zur Wand und griff nach der Gerte, die er im Gürtel stecken hatte, stolz auf sich und seine Voraussicht, dass er sie wohl brauchen würde.
    »Runter mit dem Fetzen!«, brüllte er und zerrte am Halsausschnitt ihres Kleides. Dann besann er sich gerade noch rechtzeitig, dass seine Frau wohl wieder tagelang schelten und maulen würde, wenn er das Kleid dieser unnützen Fresserin zerriss, auch wenn es schon fadenscheinig und viele Male geflickt war, und ließ los. Ein zynisches Grinsen zog über sein Gesicht.
    »Ich hab mir’s anders überlegt. Los, zur Bank, und hoch mit dem Rock.«
    »B…itte, Meister, n…icht!« Stammelnd vor Angst und mit Tränen in den Augen wandte sich Änne zu ihm um.
    »Zur Bank!«, wiederholte Jenzin, nun mit gefährlich leiser Stimme. »Und wenn ich fertig bin, wirst du vor mir niederknien, mir demütig versprechen, künftig dem Willen der Kunden zu gehorchen, und mir für meine Güte danken. Für die Güte, die ich dir zuteilwerden lasse, obwohl« – nun hob der große Mann im schwarzen Gewand wieder die Stimme – »du aus einem verfluchten

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