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Blut und Silber

Blut und Silber

Titel: Blut und Silber
Autoren: Sabine Ebert
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steckte, und zwinkerte ihr hinter Jenzins Rücken aufmunternd zu.
    »Hoch mit dir und ab in die Offizin!«, knurrte der Hausherr sein Mündel an, das unweigerlich den Atem angehalten hatte.
    Wie es aussah, schickte der Herr ihr doch Rettung. Wenigstens für diesen Augenblick, bis die Kundschaft bedient war. Sie gab sich keinen falschen Hoffnungen hin: Ihr Vormund war noch nicht fertig mit ihr.
    Wankend stand sie auf und wischte sich die triefende Nase und die tränenfeuchten Wangen am Ärmel ab. Sie spürte, wie das Leinen des Unterkleides auf den blutigen Striemen festklebte, und versuchte, sich noch vorsichtiger zu bewegen – vergeblich.
    Ob wirklich ein Vertrauter des neuen Burgkommandanten so spät in der Nacht in die Apotheke gekommen war? Oder ob Wilhelm das nur behauptet hatte, um der Sache Dringlichkeit zu verleihen? Ihn würde Jenzin nicht schlagen, das tat er nie, denn Wilhelm war noch größer als er und stark wie ein Ochse.
     
    Jan und Sibylla konnten Ännes Schmerzensschreie hören, während sie auf den Apotheker warteten. Sibylla wurde noch blasser, denn sofort waren die Erinnerungen an die vorangegangene Nacht mit schrecklicher Klarheit wieder lebendig geworden.
    Jan hingegen wäre am liebsten losgestürmt, um Jenzin in den Arm zu fallen und sich mit ihm zu schlagen, von Mann zu Mann. Aber das durfte er nicht. Abgesehen davon, dass der Apotheker ein Ratsherr war und er nur eine einfache Wache – dem Hausvater stand es zu, Lehrlinge, Knechte oder auch die jüngeren Familienmitglieder zu verprügeln, wenn sie nicht gehorchten. Nur konnte sich Jan nicht vorstellen, dass die durch und durch verängstigte Änne ohne Not etwas tun würde, das den Zorn ihres Vormundes heraufbeschwor.
    So presste er die Fingernägel in die Handballen, um sich zurückzuhalten, bis sich dort dunkle Halbmonde abzeichneten.
    Endlich verstummten die Schreie. Jan atmete auf.
    Jetzt erst begann er, sich in dem geheimnisvollen Laden umzusehen, den er noch nie zuvor betreten hatte. Normalerweise wurden Arzneien durch das vordere Fenster von Meister Jenzins Haus verkauft, doch das war nachts mit Holzläden verschlossen. Er wusste, dass Jenzins Gesinde Anweisung hatte, besonders einflussreiche Kunden – und dazu mochte jemand zählen, der im Auftrag des Burgkommandanten kam – in die Offizin zu geleiten, sollte das Geschäft schon geschlossen sein.
    Im ganzen Raum hing der intensive Duft von Kräutern. An den Wänden waren nicht weniger als ein Dutzend Bretter befestigt, auf denen hölzerne Gefäße mit merkwürdigen Symbolen darauf nebeneinanderstanden. Auf einem schweren Eichentisch waren mehrere Mörser mit Pistillen, zwei verschieden große Waagen und ein Kästchen mit Gewichten aufgereiht. Hier wurden wohl die Arzneien zubereitet.
    Jan kam nicht dazu, sich weiter umzusehen, denn Jenzin – hochrot und mit einem merkwürdigen Gesichtsausdruck – trat in Begleitung seines bulligen Großknechtes herein.
    Als der Apotheker den jungen Wachposten und neben ihm die immer noch desolat wirkende Sibylla sah, verwandelte sich sein Gesichtsausdruck von Dienstbarkeit und Unterwürfigkeit zu leichter Verachtung.
    »Der Burgkommandant befiehlt, dieser Frau unverzüglich eine Eurer Arzneien zuzubereiten«, sagte Jan, so forsch er konnte.
    »Ich brauche die Rezeptur!«, forderte der hagere Apotheker und streckte ungeduldig die Hand nach dem Wachstäfelchen mit den Verordnungen des Arztes aus. Laut dem Gesetz des letzten Stauferkaisers durfte er nur nach den Anweisungen des Arztes Medikamente zubereiten.
    »Los, beweg dich, faules Ding«, knurrte er Änne an, die ihm mit vorsichtigen Schritten in die Offizin gefolgt war, und las vor, was sie verwenden sollte: Frauenmantel, Schafgarbe, Kamille und Bibernelle.
    Ohne danach suchen zu müssen, holte Änne die verlangten Zutaten aus den Dosen aus den Regalen, wog die nötigen Mengen ab, schürte das Feuer unter einem kleinen Kessel, überbrühte die Kräuter mit siedendem Wasser und seihte sie durch ein Leinentuch. Doch so flink sie auch ihre Hände bewegte – es war nicht zu übersehen, dass sie den Rest des Körpers starr hielt, nur vorsichtige Schritte machte und trotzdem Schmerzen empfand.
    Wütend starrte Jan zu Jenzin hinüber. Wie es aussah, hatte dieser Bock dem Mädchen doch tatsächlich den Hintern blutig geschlagen. Wer weiß, was er ihr noch alles antat, ganz abgesehen von der rot angelaufenen und geschwollenen Wange. Das zahl ich ihm heim!, schwor er sich.
    Änne hatte indes
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