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Blut und Silber

Blut und Silber

Titel: Blut und Silber
Autoren: Sabine Ebert
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unter gesenkten Lidern Sibylla gemustert. Deren Aussehen und die Rezeptur verrieten ihr, was der einst wohl schönen Fremden widerfahren sein musste. Als sie ihr auf den Wink ihres mürrischen Vormundes hin den abgefüllten Sud übergab, tauschten die beiden jungen Frauen einen Blick aus, jede voll Mitgefühl für das Elend der anderen.
    Auch wenn sie das zu Leidensgefährtinnen und heimlichen Verbündeten machte, so erkannte Sibylla den entscheidenden Unterschied zwischen ihnen, als sie in Ännes Augen sah: Darin war jegliche Hoffnung erloschen – wenn es überhaupt je welche gegeben hatte.
     
    Ulrich war in Gedanken ganz bei den Neuigkeiten, die ihm die fremde junge Frau berichtet hatte, während er auf den Bürgermeister, den Bergmeister und den Anführer der Juden wartete.
    Es dauerte eine Weile, bis jemand die drei angesehenen Männer in seine Kammer führte. Wahrscheinlich, weil der Rabbiner, der mit seiner Gemeinde auf dem »Judenberg« vor den Stadtmauern lebte, erst durch das Erlwinsche Tor geleitet werden musste.
    Den Bürgermeister Nikol Weighart, ein geschickter Silberschmied und charakterfester Mann, den die Ratsherren im Vorjahr gewählt hatten, und den breitschultrigen Bergmeister Friedemar, vom Markgrafen in dieses Amt gesetzt, kannte Ulrich schon. Deshalb erforschte er das von schlohweißem Haar umrahmte zerfurchte Gesicht des Rabbis, als sich die Gerufenen vor ihm verneigten.
    Menachim ben Jakub heißt er, wusste der Maltitzer, und als der alte Mann sich aufrichtete, fing Ulrich seinen Blick auf. Er sah ein Paar auffallend klare Augen, von unzähligen Fältchen umgeben, aus denen Güte und Trauer gleichzeitig sprachen.
    Dieser Menachim weiß, warum er gerufen wurde, dachte Ulrich. Doch letztlich warteten sie alle schon seit Tagen auf die Hiobsbotschaft.
    Er wusste auch, dass der Jude aufgrund der Regeln seines Glaubens nichts von dem essen oder trinken würde, was er ihm anbot. Um dem anderen zu ersparen, unhöflich zu wirken, ließ er an keinen der zu ihm Gerufenen heißen Würzwein oder Bier ausschenken. Sie hatten ohnehin keine Zeit zu verlieren, nicht einen Augenblick.
    Mit einer Geste lud er die Männer ein, Platz zu nehmen. Aus drei Augenpaaren las er die ungeduldige Bitte, er möge sagen, weshalb sie mitten in der Nacht hierhergeholt wurden.
    »Wir alle hatten gehofft und gebetet, das Schlimmste möge uns erspart werden. Doch nun haben wir Gewissheit. Morgen wird das Heer des Königs hier eintreffen«, erklärte Ulrich.
    Menachim schloss nach diesen Worten kurz die Lider, der Bürgermeister wurde bleich, der Bergmeister schlug ein Kreuz. Dann legte er seine schwielige Hand auf den Knauf des Schwertes, das er als Zeichen seines Standes tragen durfte, auch wenn Ulrich Zweifel hatte, ob Friedemar damit wirklich umgehen konnte.
    »Sprecht, Bürgermeister!«, ermutigte der Burgkommandant den Silberschmied, der offenbar etwas sagen wollte.
    Nikol Weighart straffte sich. »Soll ich heute Nacht noch Bauleute zusammenrufen lassen, damit sie die Stadttore zumauern?«
    Ulrich überlegte nur kurz. Die Tore mussten gesichert werden, sonst würde sich die Stadt keinen Tag halten. Aber er hoffte immer noch, dass die Streitmacht des Markgrafen vor der des Königs eintraf.
    »Ich will keinen nächtlichen Aufruhr in der Stadt. Lasst die Bürger schlafen. Die Handwerker sollen morgen in aller Frühe damit beginnen. Fangt bei den westlichen Toren an, das Meißner bleibt offen, bis Ihr anderslautende Order von mir bekommt. Ich setze darauf, dass Niklas von Haubitz noch rechtzeitig mit seinen Truppen eintrifft.«
    Erleichterung zog über das Gesicht des Bürgermeisters.
    »Und lasst morgen früh die Ratsherren zusammenrufen. Ich will gleich nach der Frühmesse mit dem Rat sprechen.«
    Der Silberschmied verneigte sich zustimmend.
    Dann wandte sich Ulrich dem Bergmeister zu. »Sorgt dafür, dass die Bergleute morgen früh nicht zu den Gruben gehen, sondern unverzüglich in der Stadt Schutz suchen. Sie sollen ihr wichtigstes Werkzeug mitbringen.«
    Die Siedlung der Bergleute befand sich außerhalb der Stadtbefestigung, östlich des Donatstores. Ulrich wollte nicht nur, dass das Gezähe und die aufwendig herzustellenden Gerätschaften der Schmelzer erhalten blieben, sondern baute darauf, dass die Bergleute notfalls auch mit ihren schweren Hämmern und Keilhauen Freiberg verteidigen würden.
    Bergmeister Friedemar räusperte sich. »Ihr wisst, dass jeder Eigner seine Grube verliert, wenn dort länger als drei Tage
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