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Blut und Silber

Blut und Silber

Titel: Blut und Silber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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Die Unglückliche hängt jetzt dort immer noch in Stricken. Nur der Allmächtige weiß, ob sie durchkommt. Der Vogt verbot mir, ihr zu helfen. Er ist kaum auf der Burg angekommen, und schon fließt Blut …«
    Der Arzt zögerte einen Moment, bevor er weitersprach. »Ihr hättet ihn dabei sehen sollen! Das Entzücken in seinen Augen, als das Mädchen vor Schmerzen schrie … Sein Lächeln … Und dann ging er weiter und lächelte immer noch.«
    Beschwörend sah er von einem zum anderen.
    »Wir werden jetzt wohl viel zu tun bekommen. Aber wir müssen vorsichtiger denn je sein. Das wird ein Tanz auf dem Seil über einen Abgrund.«
    Dann richtete er den besorgten Blick auf Änne. »Du wirst von nun an nicht mehr auf die Burg gehen. Ganz gleich, was geschieht!«

November 1306 auf der Wartburg
    S ollte noch einmal jemand auch nur einen einzigen Tropfen Wasser vergeuden, verliert er eine Hand!«
    Herrmann von Goldacker ließ seinen gnadenlosen Blick über die versammelte Burgbesatzung schweifen. Er wusste, dass die meisten den Atem anhielten, bis er sein Urteil verkündete.
    »Zehn Hiebe und zwei Tage nichts zu essen.«
    Der Übeltäter, ein Stallknecht, der aus Unachtsamkeit einen Eimer Wasser verschüttet hatte, atmete auf. Er hatte mit einer noch schlimmeren Strafe gerechnet. Nicht nur wegen der berüchtigten Strenge des Marschalls, sondern vor allem, weil Wasser eine große Kostbarkeit geworden war.
    Seit Wochen belagerten die Eisenacher die Wartburg, um deren Auslieferung an den König zu erzwingen und im Gegenzug den Status einer reichsfreien Stadt zu erhalten. Zwar hatten der Marschall und die Landgräfin vorsorglich die Vorratskammern füllen lassen, bevor die Eisenacher sämtliche Wege zur Wartburg blockierten. Doch schneller als die Vorräte an Lebensmitteln wurde ihnen das Wasser knapp. Es gab keinen Brunnen hier oben, nur eine Zisterne – die Schwachstelle der ansonsten uneinnehmbaren Festung.
    Die Eisenacher verzichteten deshalb auch auf direkte Angriffe. Sie ließen bewaffnete Trupps durch die Gegend streifen, die verhindern sollten, dass auf Schleichwegen Proviant auf die Wartburg geschafft wurde, und warteten einfach, bis die Belagerten früher oder später angesichts der Wasserknappheit aufgeben würden.
    »Ich will, dass jeder Regentropfen aufgefangen wird, bevor er auf den Boden trifft«, fuhr Goldacker ungerührt fort. »So kann sich jeder selbst seine Ration verdienen.«
    Dann gab er dem Stallmeister einen Wink, damit dieser persönlich dem Knecht die zehn Hiebe verpasste. Der Junge riss sich zusammen, sosehr er konnte. Er würde hier oben, wo die Menschen seit Tagen schon mit immer kleineren Rationen auskommen mussten, kein Mitleid bekommen. Im Gegenteil, er konnte noch froh sein, dass ihn Goldacker nicht zu einer Prangerstrafe verurteilt hatte, denn dann würde er von den wütenden Burgbewohnern wohl mehr als nur zehn Hiebe bekommen. Auch der Stallmeister war erbost, denn er hielt sich mit dem Ochsenziemer nicht zurück. Der Bursche wimmerte unter den Schlägen und biss die Zähne zusammen, um nicht laut aufzuschreien. Das würde die Umherstehenden nur zu gehässigen Kommentaren veranlassen. Die Striemen brannten fürchterlich, aber die Scham in ihm kaum weniger. Ein Eimer Wasser war viel, wenn alle dursteten.
     
    Als der unachtsame Stallknecht die Strafe empfangen hatte und jeder wieder an seine Arbeit ging, schritt Herrmann von Goldacker auf die Landgräfin zu, die das Geschehen im Hof mit regloser Miene verfolgt hatte. Elisabeth forderte ihn mit einer Handbewegung auf, sie in den Palas zu begleiten.
    »Wenn wir nicht bald Nachricht erhalten, dass Hilfe kommt, bereite ich mit ein paar entschlossenen Männern einen Ausfall vor«, sagte er mit gedämpfter Stimme.
    Sie wussten beide, dass dies eine hoffnungslose Aktion war, der Verzweiflung entsprungen. Selbst wenn es Goldacker gelingen sollte, die Bewaffneten vorübergehend in die Flucht zu schlagen, die den Weg zur Wartburg verriegelten – aus der an der Weggabelung gelegenen Burg würde sofort Verstärkung nachrücken und sie niedermachen, bevor sie auch nur einen Sack Korn oder ein Fass Wasser nach oben geschafft hätten.
    »Eine Woche können wir uns noch halten«, wandte sie ein, nachdem sie sich vergewissert hatte, dass niemand sonst sie hören konnte. »Wenn es regnet oder schneit, sogar noch etwas länger. Mein Schwiegersohn
wird
zu Hilfe kommen.«
    Vor zwei Wochen schon hatte sie Boten mit Briefen zu Friedrich gesandt, in denen sie

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