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Blut und Silber

Blut und Silber

Titel: Blut und Silber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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leisteten. Das taten sie vor allem dank Elisabeth.
    Was für eine Frau!, dachte er nicht zum ersten Mal. Die würdige Nachfahrin der Kaisertochter, die hier einst als Landgräfin geherrscht hatte!
    Leider unerreichbar für ihn. Aber solche Gedanken führten zu nichts. Also ging er lieber zum Schwertfeger, obwohl seine Waffe bereits scharf war, und legte sich einen Plan zurecht, wie er die Landgräfin, ihre Tochter und deren Kind unbemerkt von der Wartburg schaffen konnte, sollte keine Hilfe kommen. Er rechnete fest damit, dass sich die ältere Elisabeth nicht ohne weiteres dazu bereit erklären würde. Sie war wild entschlossen, Eisenach und Thüringen ihrem Schwiegersohn zu bewahren. Notfalls musste er über die Tochter und deren Kind Druck auf sie ausüben, damit sie ihm folgte.
    Goldacker empfand keinerlei Skrupel bei diesem Gedanken. Skrupel durfte er sich nicht erlauben.
     
    Als die Landgräfin die Kemenate betrat, saß ihre Tochter auf einer der Fensterbänke nahe dem Feuer, mit einem aufgeschlagenen Psalter auf dem Schoß, ohne darin zu lesen. Schon ein flüchtiger Blick verriet ihr, was in der Jüngeren vorging. Und das gefiel ihr ganz und gar nicht.
    »Lasst uns allein!«, befahl sie.
    Die Amme sprang sofort auf, verneigte sich, nahm das Kind auf den Arm und huschte hinaus. Elisabeth zog die Augenbrauen hoch und sah zu den Hofdamen, die überrascht nach einem tiefen Knicks der Amme folgten.
    »Gibt es Nachrichten von meinem Gemahl?«, fragte die jüngere Elisabeth voller Sorge.
    Statt einer Antwort sagte ihre Mutter streng: »Ich möchte, dass du mir genau zuhörst. Ich weiß, dass du dir Sorgen machst; ich weiß, dass du Angst hast. Aber du musst jetzt aufhören, dich zu fürchten!«
    Die Jüngere beugte sich entrüstet vor. »Ich soll aufhören, mich zu fürchten? Wie stellt Ihr Euch das vor, Mutter? Soll ich in den Tag hineinleben, als sei nichts geschehen? Sticken und für mein Kind Schlaflieder summen, als seien wir nicht umschlossen von Hunderten Bewaffneter? Jede Burg im Umkreis von zehn Meilen ist mit Männern besetzt, die uns übelwollen, die Eisenacher schreien nach unserem Blut, unsere Vorräte schwinden, und ich weiß nicht, wie lange die Amme noch genug Milch für meine Tochter hat!«
    Bei den letzten Worten hatte sie fast geschrien, bis ihre Stimme brach und in ein Schluchzen überging.
    »Hör auf!«, rief ihre Mutter ungewohnt hart.
    »Selbst wenn wir alle hier hungern und dürsten – deine Tochter wird die Letzte sein, der es an etwas mangeln wird. Das weißt du genau. Und die Eisenacher fordern nicht unser Leben, sondern die Wartburg, weil diese Narren glauben, es ginge ihnen unter dem Habsburger besser.«
    Zumindest hoffe ich, dass sie nicht nach unserem Blut lechzen, dachte Elisabeth sarkastisch. Ihr Gemahl und auch Diezmann hatten es geschafft, die Wettiner bei den Stadtbewohnern gründlich verhasst zu machen. Wenngleich sie selbst als mildtätig galt und manch dankbarer Bettler sie schon mit der Heiligen verglich, deren Namen sie trug und die vor weniger als hundert Jahren hier Wunder gewirkt hatte, so konnte niemand sicher sein, am Ende nicht doch von einer aufgebrachten Menge erschlagen zu werden – sofern einen nicht ein verirrtes Geschoss traf oder sie alle hier schlichtweg verdursteten.
    »Du hast einen Fürsten geheiratet, der darauf angewiesen ist, dass ihm seine Frau treu und tapfer zur Seite steht«, redete sie ihrer Tochter ins Gewissen. »Beklage nicht die schwere Zeit, sondern preise Gott, dass du bisher in Frieden leben durftest. Dein Mann hat fast sein ganzes Leben lang kämpfen müssen. Also zeige dich seiner würdig.«
    Sie legte den Kopf leicht in den Nacken, bevor sie mit Nachdruck sagte: »Wenn du einmal Fürstin werden willst, dann benimm dich auch wie eine Fürstin!« Dann holte sie tief Luft und fuhr etwas ruhiger fort: »Friedrich wird kommen und uns helfen. Aber er wird sich von dir abwenden, wenn er erfährt, dass du feige warst zu jener Zeit, als er deinen Mut am meisten gebraucht hätte.«
    Elisabeth wusste, dass diese Worte ihre Tochter bis ins Innerste treffen würden, und sie fühlte sich schlecht dabei. Doch sie hatte versucht, sich den Mann aus dem Herzen zu reißen, den sie liebte, damit ihre Tochter ihm zu seinem Erbe verhalf. Mit wundem Herzen hatte sie nicht nur zugesehen, sondern sogar dazu beigetragen, dass er sich stattdessen in ihre Tochter verliebte. Sollte das alles ein Fehler gewesen sein?
    Wenn ihre Tochter sich jetzt als zu schwach

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