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Blut und Silber

Blut und Silber

Titel: Blut und Silber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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erwies, war ihr eigenes Opfer umsonst gewesen. Hätte sie am Ende doch nicht verzichten sollen? Hätten Friedrich und sie fortführen sollen, was in Prag zwischen ihnen begonnen hatte?
    Lange Zeit herrschte Schweigen zwischen Mutter und Tochter. Jede starrte vor sich hin, die eine zum Fenster, die andere ins Feuer.
    Bis schließlich die Jüngere leise sagte: »Ich habe verstanden. Was soll ich tun?«

In einer Schlucht südlich von Eisenach
    I st es nicht geradezu unheimlich hier?«, sagte Christian leise zu Markus, der neben ihm stand und versuchte, sein Pferd zur Ruhe zu bringen.
    Obwohl die Dämmerung gerade erst hereinbrach, fiel kaum noch ein Lichtstrahl in die tiefe Schlucht. Nebelschwaden zogen zwischen den Felswänden entlang und verhüllten die Kuppen der Berge. Wer weiß, was für schreckliche Wesen hier zwischen riesigen Wurzeln, uralten Bäumen und unter den mit Rauhreif überzogenen welken Blättern leben mochten!
    Auch die Pferde schienen das zu spüren und waren außergewöhnlich unruhig. Oder witterten sie Wölfe und anderes Raubgetier?
    Christian, inzwischen fast groß wie Markus, mit breiten Schultern und ersten Bartstoppeln, schniefte unbehaglich und wischte sich die triefende Nase mit dem Ärmel ab. Doch Markus sah sich nur missmutig um und bewegte seine durchgefrorenen Zehen in den Stiefeln.
    »Unheimlich? Vor allem unheimlich kalt.« Mit skeptischem Blick auf den Rotschopf murrte er: »Du wirst uns mit deinem Zähneklappern noch verraten. Das ist ja bis nach Eisenach zu hören. Und so einer will mal Gassenjunge gewesen sein! Verzärteltes Bürschlein!«
    Das Gelingen ihres Planes hing davon ab, dass niemand den Reitertrupp entdeckte. Allerdings hing das Gelingen ihres Planes
auch
davon ab, dass die Verstärkung rechtzeitig zu ihnen stieß und sich nicht in den Wäldern um Eisenach verirrte. Der Herzog von Braunschweig hatte sofort zugesagt, seinem Schwager zu Hilfe zu eilen, um die Wartburg freizukämpfen, und sollte jeden Augenblick eintreffen.
    Einen halben Tag lang warteten sie hier schon, zu Untätigkeit verbannt. Es war ein eiskalter Novemberabend, aber Feuer durften im provisorischen Heerlager nicht entfacht werden. Es war schwierig genug, die wettinische und die braunschweigische Streitmacht in dieser Schlucht nahe Eisenach zusammenzuführen, ohne dass sie bemerkt wurden.
    »Von wegen – verzärteltes Bürschlein!«, protestierte Christian erwartungsgemäß. »Ich bin ein Kämpfer Markgraf Friedrichs!«
    »Ein Kämpfer, der noch gar nicht groß zum Kämpfen gekommen ist«, hielt Markus ihm ironisch vor.
    »He, Sibylla«, rief der Rotschopf die Vertraute aus Freiberger Tagen heran, die mit dem Tross reiste und gerade ein paar Schritte entfernt Brot an die Männer austeilte. Das eiskalte Bier, das sie zuvor ausgeschenkt hatte, war nicht sonderlich geeignet, einen Frierenden durchzuwärmen.
    Lächelnd wandte sie sich zu Christian um. »Willst du noch mehr Kunststücke lernen? Ich dachte, du bist jetzt Soldat!«
    Sie deutete auf den Beutel an ihrem Gürtel, in dem sie Jonglierbälle, bunte Bänder und andere Gauklerutensilien aufbewahrte. »Probier’s mal mit fünf Bällen – davon werden die Finger warm!«
    Sibylla wirkte glücklich. Ihr schien es gleichgültig zu sein, wo sie waren, ob die Sonne auf sie herabbrannte oder sie in einer dunklen Schlucht froren – wenn nur Ulrich von Maltitz in ihrer Nähe war. Da jeder im Trupp wusste, dass sie die Geliebte von Friedrichs engstem Vertrauten war, und sich niemand mit dem Meißnischen Ritter anlegen wollte, wurde sie respektvoller behandelt, als es bei einer Gauklerin üblich war. Doch die Männer mochten sie auch so, weil sie ihnen mit ihren Liedern, Geschichten und Kunststückchen die Zeit vertrieb und sie auf andere Gedanken brachte.
    Nur Markus war nicht nach Scherzen zumute. Noch vor zwei Wochen hätte er nie damit gerechnet, so bald schon wieder vor Eisenach zu stehen. Dieser Feldzug nahm merkwürdige Wendungen.
    Als die Nachricht sie erreichte, dass König Albrecht sein Heer erst nach Böhmen führte statt gegen die Wettiner, hatte Friedrich die gewonnene Zeit sofort genutzt, um gemeinsam mit seinem Bruder im Pleißen- und im Osterland weitere Truppen zu sammeln und Leipzig und weitere wichtige Orte zu sichern. Damals war Markus froh um jede Meile gewesen, die sie Freiberg näher kamen, während alte und nie begrabene Hoffnungen in ihm aufflackerten. Unentwegt waren sie ostwärts gezogen, ohne auf das Heer des Königs zu

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