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Blut und Silber

Blut und Silber

Titel: Blut und Silber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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Dittrich Beschorne laut von hinten. »Ihr habt ihn gehört! Und so schnell bekommen wir den Rat nicht zusammen.«
    Der Beauftragte des Königs schien rasch zu begreifen, dass keine Antwort auch eine Antwort war.
    »Das werdet ihr bald bitter bereuen!«, brüllte er hinter den dicken Mauern, als er niemanden mehr sehen konnte; nur noch die Verteidiger, die mit Schwertern und Bögen zwischen den Zinnen standen. »Auf Knien werdet ihr um Gnade flehen!«
    Ulrich sah hinüber zu Nikol Weighart, der keine Miene verzog. Sie wussten beide, dass die Drohung nur zu schnell wahr werden konnte. Selbst wenn die Männer standhielten, die Mauern standhielten – die meisten Städte wurden nicht durch eine lange Belagerung oder mit Wurfmaschinen eingenommen, sondern durch Verrat. Und davor gab es keinen Schutz.
     
    Der Kommandant ritt nicht gleich zurück zur Burg, sondern lenkte seinen Hengst kurz vor dem Tor nach rechts, zur Marienkirche im Burglehen, der größten und prächtigsten Kirche der Stadt. Schon von weitem sah er, dass das prachtvolle, weithin berühmte goldene Portal von St. Marien durch den nächtlichen Angriff Schaden genommen hatte. Etliche der vergoldeten Säulen und farbenprächtigen Figuren im Gewände waren von Ruß geschwärzt. Ein alter Kirchendiener, dem Tränen in den Augen standen, mühte sich, die schwarzen Schlieren mit einem Lappen abzuwischen.
    Drinnen fand Ulrich Conrad Marsilius übernächtigt und vor sich hin schimpfend vor. Angesichts des Burgkommandanten unterbrach der Arzt seinen mürrischen Monolog.
    »Ein Dutzend Tote; wir haben sie nach hinten geschafft«, berichtete er. »Und noch einmal so viele, von denen ich nicht weiß, ob sie durchkommen.«
    »Was braucht Ihr an Hilfe, Meister Stadtphysicus?«, fragte er. »Leute? Arzneien? Ich will dem Ratsherrn Jenzin eine Liste schicken.«
    »Der weiß selbst, was ich hier brauche«, knurrte der Arzt. »Und Helfer? Die ich hatte, sind entweder vor Angst fortgerannt, als sie das Blut sahen, oder haben mit ihren zitternden Händen mehr Schaden angerichtet als gutgemacht. Von der Sorte brauche ich keine mehr, besten Dank! Jemand soll bei den Franziskanern und den Predigenden Brüdern nachfragen, ob die Mönche mir Verstärkung schicken können. Und bei den Büßerinnen im Magdalenenkloster!«
    Mit einer wegwerfenden Geste ließ sich der Arzt auf ein Strohbündel sinken; wer weiß, woher er das haben mochte. Er rieb sich müde über das bärtige Gesicht. »Das ist erst der Anfang, nicht wahr? Aber wenn das der Anfang ist, will ich nicht darüber nachdenken, wie das Ende aussehen wird.«

Geständnisse
    E rschöpft lehnte sich Änne an die Wand. Am liebsten wäre sie einfach an Ort und Stelle niedergesunken, um zu schlafen. Doch sie wusste nicht, ob sie hier bleiben sollte – oder, besser gesagt, bleiben durfte. Denn sie würde gern bleiben, auch wenn grauenvoll war, was sie diese Nacht erlebt hatte und alles hatte tun müssen.
    Sonst sammelte sie Kräuter und kochte Sude, statt ins Fleisch zu schneiden, was ihr unter normalen Umständen gar nicht zustand. Und sie bekam zwar Schläge, doch sie wurde nicht mit tödlichen Steinsalven und Feuer beschossen. Aber so schrecklich es auch war, die Wunden zu sehen, das viele Blut, die Schmerzensschreie der Männer zu hören – sie hatte heute Nacht etwas bewirkt und Leben gerettet. Dafür war sie sogar gelobt worden; zum ersten Mal überhaupt, seit sie zurückdenken konnte.
    Wie aufs Stichwort kam der Burgkommandant erneut auf das Prägehaus zu. Obwohl auch er diese Nacht keinen Schlaf gefunden haben konnte, ließ er sich seine Müdigkeit nicht anmerken. Seine Haltung war straff, sein Gesicht ernst wie immer. Diesmal richtete er sein Wort direkt an Änne, nachdem er sie kurz gemustert hatte.
    »Geh nach Hause, zieh dir ein sauberes Kleid an, und dann bring uns die Arzneien, die dein Vormund bereitgelegt hat. Ich habe das vorhin mit ihm abgesprochen.«
    Änne stockte für einen Augenblick der Atem. Beschämt senkte sie den Kopf. Sie rieb ihre blutverkrusteten Hände, als könnte sie die Finger dadurch sauber bekommen, und betrachtete verstohlen ihr restlos verdorbenes Kleid. Es war nicht nur mit Blut und Ruß verschmiert, sondern nun fehlte auch noch ein Ärmel, den sie abgerissen hatte, als gerade kein Verbandszeug zur Hand war. Jetzt sah man von ihrer Haut viel mehr, als sich gehörte, denn das Unterkleid saß so knapp, dass sie kaum mehr hineinpasste und die Unterarme nur noch zur Hälfte von Stoff bedeckt

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