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Blut und Silber

Blut und Silber

Titel: Blut und Silber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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er dem Feldscher als Hilfe zugeteilt hatte, schienen ihn gar nicht zu bemerken. Eine von ihnen, die Kräuterkundige, drückte einem Verwundeten ein streng riechendes Tuch über Nase und Mund – wahrscheinlich mit irgendeinem Betäubungsmittel getränkt, während die Gauklerin auf seinem Brustkorb kniete, um ihn festzuhalten. Das war auch bitter nötig, denn der Mann schrie markdurchdringend und bäumte sich auf, während der Feldscher ihm den hoffnungslos zermalmten rechten Arm abtrennte. Mit geübten Griffen schnitt er rasch das Fleisch mit einem scharfen Messer herunter, dann setzte er die Knochensäge an.
    Plötzlich verstummten die Schreie.
    Ulrich trat näher. »Ist er tot?«
    Vorsichtig legte die kleine Apothekerin die Finger an den Hals des Schwerverwundeten. »Nein, nur ohnmächtig. Das ist wohl das Beste für ihn.«
    Darin gab Ulrich ihr recht, denn gerade griff der Feldscher nach einem rotglühenden Kautermesser und versuchte, den Blutfluss durch Ausbrennen zum Versiegen zu bringen.
    Als er fertig war, kletterte Sibylla von dem Körper herab.
    Jetzt erst besannen sich die zwei Frauen, wer vor ihnen stand, und knieten nieder. Ulrich sah ihre erschöpften Gesichter, die blutverschmierten Kleider und Hände, das Grauen in ihren Augen.
    Er gebot ihnen aufzustehen.
    »Zwei tüchtige Weibsbilder, die Ihr mir geschickt habt«, meldete sich der Feldscher zu Wort. »Jammern nicht, fallen nicht in Ohnmacht, sondern packen mit an. Und die da« – er deutete auf Änne – »kennt sich nicht nur mit Kräutern aus. Wenn Ihr mal Bedarf haben solltet, würde sie Euch, ohne mit der Wimper zu zucken, eine Hand oder ein Bein amputieren und die Hautlappen so fein säuberlich zusammennähen, als bestickte sie ein Altartuch.«
    Galgenhumor, erkannte Ulrich, aber ehrliches Lob.
    »Wie viele Tote und Verletzte?«
    Der Feldscher wies mit dem Kinn zur Linken, wo mehrere reglose Körper nebeneinanderlagen. Eine mitfühlende Seele hatte ihnen die Hände über der Brust gefaltet. Allen bis auf einem, dem eine Hand fehlte. Doch nicht an der Amputation schien er gestorben; sein Kopf war blutüberströmt.
    »Drei Tote, Gott erbarme sich ihrer Seelen«, gab der Feldscher mit rauher Stimme Auskunft. »Dazu der hier« – er deutete auf den Mann, dessen Arm er gerade abgenommen hatte, wobei sich Ulrich zwang, nicht zu dem blutigen Klumpen Fleisch auf dem Erdboden zu sehen –, »ein paar Leichtverletzte, die schon wieder auf ihren Posten sind, und diese beiden.«
    Nun erst sah Ulrich in dem Halbdunkel zwei Männer an der Wand lehnen, der eine die Brust, der andere einen Arm mit einem Verband umwickelt, durch den schon wieder Blut sickerte.
    »Wie geht es euch?«, fragte er.
    »Denen fehlt bloß ein kräftiger Schluck Bier und ein Tritt in den Hintern, dann sind sie wieder einsatzbereit«, brummte der Feldscher hinter ihm.
    Beide Verletzte versuchten, sich hochzustemmen, als sie sich solchermaßen vor dem Burgkommandanten bloßgestellt fühlten.
    »Bleibt sitzen«, bedeutete Ulrich ihnen. »Ich lasse euch etwas zu essen bringen. Und euch auch«, meinte er dann, zum Feldscher und seinen beiden Gehilfinnen gewandt. »Gute Arbeit.«
     
    Ulrichs Knappe kam ins Prägehaus gestürzt. »Der König hat einen Reiter zum Erlwinschen Tor geschickt. Sie wollen verhandeln.«
    Dann lasst mal hören, was er uns anzubieten hat, dachte Ulrich grimmig und stapfte hinaus, um sich von Roland seinen Fuchshengst satteln zu lassen.
    Jemand hatte den Bürgermeister holen lassen, der kurz nach Ulrich das Erlwinsche Tor erreichte. Nach und nach kamen auch die Ratsherren herbei, manche hastig, andere bemüht, trotz aller Besorgnis und Furcht noch einen Rest Würde auszustrahlen.
    »Das war ein Vorgeschmack!«, schrie ein stämmiger, aufgedunsen wirkender Ritter mit üppig verziertem Wappenrock in den Farben des Königs, wahrscheinlich sein neuer Marschall. Fünf Ritter in kaum schlichter gehaltenen Kleidern begleiteten ihn.
    »Ein Vorgeschmack darauf, was euch erwartet, wenn ihr euerm König den Gehorsam verweigert.«
    »Die Demonstration war eindeutig. Nach dieser Nacht weiß auch der Letzte, was wir von diesem König zu erwarten haben«, rief Ulrich von den Zinnen herab.
    Dieses Tor war als einziges von den fünf Stadttoren nicht zugemauert, sondern mit dicken Balken gesichert. Er hätte durch die schmale Ausfallpforte hinausgehen können, die vergleichsweise leicht zu räumen war, um mit dem Marschall des Königs zu sprechen, doch er wäre nicht zu Pferd

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