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Blut und Silber

Blut und Silber

Titel: Blut und Silber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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wurde. Doch das Mädchen hatte das Erlebte nie verwinden können. Auch im Kloster, wo sie nach zähem Verhandeln und nur für eine großzügige Mitgift aufgenommen war, fand sie keinen Frieden, sondern dämmerte in zunehmend wirrem Geisteszustand vor sich hin.
    »Was blieb mir denn für eine Wahl?«, fragte Sibylla und lachte bitter auf. »Ich konnte nur aufstehen und irgendwie weiterleben – oder liegen bleiben und verrecken wie krankes Vieh. Wir Fahrensleute sind zäh; unser Leben als unehrlich Geborene ist hart.«
    Ulrich wandte den Blick für einen Moment von ihr ab, dann sagte er: »Geh und versuch, ein wenig zu schlafen. Der nächste Angriff kann jeden Augenblick beginnen.«
    Sibylla jedoch zögerte.
    »Vielleicht … weiß Änne etwas über die Zukunft«, meinte sie stockend. »Zu ihren Vorfahren gehört der Begründer Freibergs; sein Eheweib hatte der Legende nach das zweite Gesicht, ebenso viele der nachfolgenden Frauen aus dieser Linie, allesamt Heilerinnen. Fragt Jan danach, Herr, er weiß mehr darüber.«
    Ulrich beschloss, diesen Rat zu ignorieren. Er hatte jetzt keine Zeit für Märchen und Legenden.
     
    Mit bösem Lächeln ging Jenzins Neffe auf Änne zu, nachdem er die Tür zur Offizin hinter sich geschlossen hatte.
    »Wir könnten schon alle heute Nacht sterben. Da wäre es doch wirklich eine Verschwendung, wenn ich dich nicht vorher gehabt hätte.«
    Änne wich zurück, bis sie mit dem Rücken an die Bretter mit den Kräutervorräten stieß.
    Hans folgte ihr gehässig grinsend nach. »Und solltest du noch Jungfrau sein, so, wie du dich anstellst, wäre es doch erst recht eine Verschwendung …«
    »Bitte, junger Herr … lasst mich gehen!«
    Ihn anzuflehen war alles, was Änne vermochte. Die Härte und abgrundtiefe Verachtung, mit der sie all die Jahre in diesem Haus behandelt worden war, hatten nie den Gedanken an Ungehorsam oder gar Widerstand in ihr aufkommen lassen. Daran konnten auch die Ereignisse der letzten Nacht nichts ändern.
    Ungerührt ging Hans Lobetanz immer näher auf sie zu.
    »Los, komm her. Und heb deinen Rock. Ich will sehen, ob du da schon Haare hast …«
    Sein boshaftes Lachen ließ sie vor Angst erstarren.
    »Hast du nicht gehört?!«, sagte er, nun drohend.
    Er nahm vom Tisch den größten Stößel aus dem Mörser und ließ ihn krachend auf die schwere Eichenplatte niedersausen.
    Sie zuckte zusammen.
    »Tu, was ich dir gesagt habe, oder ich zermalme dir damit jeden Finger einzeln!«
    Änne wimmerte vor Angst, unfähig, sich zu rühren.
    »Wird’s bald!«
    Wieder ließ der Apothekersohn das Pistill auf die Tischplatte krachen, so dass sie erneut heftig zusammenfuhr. Dann trat er zwei Schritte auf sie zu, umklammerte ihr Handgelenk und presste die schmale Hand auf den Tisch.
    »Los!« Er blickte ihr auffordernd ins Gesicht und ließ den Stößel eine Elle über ihren gespreizten Fingern in der Luft schweben.
    Schreckensstarr konnte sie den Blick nicht von dem Stück Messing losreißen, das gleich ihre Finger zerschmettern würde.
    Das Knarren der Tür ließ sie beide herumfahren.
    »Das würde der Meister, Euer Oheim, gar nicht gern sehen«, war Wilhelms tiefe Stimme zu hören. Der Großknecht ging mit ruhigen Schritten auf den Gesellen zu, nahm ihm das Pistill aus der Hand und legte es wieder in den Mörser, wo es hingehörte.
    »Mein Oheim! Pah! Mein Oheim hat andere Sorgen«, fuhr Hans ihn an.
    »Schreibt auf, was Änne mitnimmt, wie er es Euch befohlen hat, und dann geht zu Bett, junger Herr«, meinte der Knecht ganz ruhig. »Ich begleite sie bis zur Burg, damit sie sicher dorthin gelangt.«
    Jetzt erst stieß Änne die Luft aus, die sie unwillkürlich angehalten hatte.
    Sie hatte schon nicht mehr an Rettung geglaubt.
    Mit zitternden Händen trug sie zusammen, was ihr nützlich schien: Kräuter und Tinkturen, um zu verhindern, dass sich Wunden entzündeten, und um denen die Schmerzen zu lindern, die die schlimmsten Wunden erleiden würden.
    Als Hans unter Wilhelms strengen Blicken keinen Einspruch erhob, legte sie auch noch die schmale Flasche mit dem kostbaren Mohnsaft in den Korb.
     
    »Danke!«, brachte Änne erleichtert hervor, als sie in Wilhelms Begleitung das Apothekerhaus verlassen hatte, um sich von ihm zur Burg begleiten zu lassen.
    Draußen herrschte Eiseskälte. Überall waren die Spuren des nächtlichen Angriffs zu sehen: Trümmer, verkohlte Balken, Ruß. Dennoch fühlte sie sich auf einmal viel besser.
    »Wenn wir das hier überleben, werde ich

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