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Blut und Silber

Blut und Silber

Titel: Blut und Silber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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waren. Wie würde erst die Meisterin schelten!
    Beklommen versuchte sie, mit einer Hand die bloße Haut zu verbergen.
    »Ist etwas?«, fragte Ulrich ungeduldig, als sie weder antwortete noch loslief.
    »Sie wird wohl kein zweites Kleid haben«, antwortete Sibylla an ihrer Stelle.
    Änne wäre am liebsten vor Scham im Boden versunken.
    »Stimmt das?«, fragte Ulrich streng, der noch bestens die mit Eichhörnchenfell verbrämten kostbaren Gewänder des Apothekers vor Augen hatte. Doch wenn er bei Licht besah, in welche unscheinbaren Fetzen Jenzin sein Mündel gehüllt hatte, dann mochte die Wahrsagerin wohl recht haben.
    »Ich bin es nicht wert«, flüsterte Änne tonlos, was sie Tag für Tag in ihrem freudlosen Heim vorgehalten bekam.
    »Hört nicht auf sie, Herr«, mischte sich Sibylla erneut ein und strich sich die Locken zurück. »Ihr Vormund ist ein garstiger Mensch und bleut ihr solchen Unsinn ein. Das tut er, damit sie nicht auf die Idee kommt, davonzulaufen und anderswo ihr Glück zu versuchen mit dem, was sie kann. Dann müsste er nämlich die ganze Arbeit selbst verrichten, der feine Herr Apotheker.«
    Interessiert sah Ulrich zu Sibylla. Solche Töne von einer Frau?
    »Geht beide und wascht euch das Blut ab. Lasst euch saubere Kleider von der Witwe des Burgvogtes geben. Dann gehst du« – er richtete seinen strengen Blick auf Änne – »und holst alles an Medizin, was wir brauchen. Bring die Hälfte gleich zu Meister Marsilius nach St. Marien. Und du« – damit wandte er sich an Sibylla – »meldest dich in meiner Kammer, wenn du umgekleidet bist.«
    Sibylla fuhr zusammen, als sie diese Worte hörte, was Ulrich nicht entging.
    Was wollte der Burgkommandant von ihr?
    Sie hoffte, es war nicht das, wonach es klang, denn eigentlich beeindruckte der dunkelhaarige Ritter sie, so entschlossen, wie er dem König und dessen Heer trotzte.
    Doch am Ende war er auch nur ein Kerl. Vielleicht sollte sie lieber nicht hoffen, dass er besser war als die anderen, anders als diejenigen, die vor zwei Nächten über sie hergefallen waren.
    Während Ulrich mit großen Schritten hinauslief, nahm sie heimlich das scharfe Messer an sich, mit dem der Feldscher dem Verletzten den Arm abgetrennt hatte.
     
    Begeistert starrte Jenzins Großknecht Wilhelm auf Änne und das Kleid, das sie auf der Burg erhalten hatte. Es war zwar nicht neu und auch nur aus schlichtem waidblauem Leinen, doch längst nicht so abgetragen wie alles, was sie bisher im Haus ihres Vormunds bekommen hatte.
    Dann zog er sie weg von der Tür, hinter der sie Jenzin und dessen Frau Beata wusste. »Warte lieber noch einen Augenblick. Sie streiten schon die ganze Zeit.«
    »Du bist verletzt«, flüsterte sie und deutete auf die übel aussehenden Brandwunden an seinen Händen. »Wie ist das passiert? Warte, ich verbinde sie dir.«
    »Hab dem Gürtler geholfen, als sein Dach in Flammen stand.«
    Änne hatte schon gesehen, dass auch das Haus ihres Nachbarn, eines Gürtlermeisters mit sechs Kindern, bis auf das Erdgeschoss niedergebrannt oder niedergerissen war. Wo mochte er inzwischen mit seiner Familie, dem Lehrjungen und dem Gesinde untergekommen sein?
    Plötzlich wurde die Tür von innen aufgerissen. »Lauscher! Hab ich es mir doch gedacht!«, schrie Jenzins kleine, rundliche Frau mit ihrer schrillen Stimme.
    Sie bedachte den Großknecht mit einem boshaften Blick aus den Augen, die tief ins Gesicht eingesunken waren, dann zerrte sie Änne in die Kammer.
    »Seht euch doch einmal die hier an, herausgeputzt wie eine feine Dame!«, keifte sie und schubste Änne in die Mitte des Raumes. »Hast es dir wohl mit Hurendiensten verdient heute Nacht auf der Burg, während wir hier um unser Leben zitterten?«
    Änne schluckte und schwieg, wie immer, wenn sie in diesem Haus beschimpft wurde. Man würde sie weder anhören noch ihr glauben, sondern sie nur erneut verprügeln, wenn sie widersprach. Auf einmal schmerzten die verkrusteten Striemen auf ihrer Haut wieder furchtbar.
    »Ich sehe nicht ein, dass die ganze Burgbesatzung sie haben kann, aber ich nicht«, maulte Jenzins Neffe Hans, der Geselle. Obwohl ihm sein Onkel verboten hatte, dem Mündel nachzustellen – »Zieh nicht noch einen Fluch auf
unser
Geschlecht!«, hatte ihn Jenzin ermahnt –, versuchte er nur zu gern, nach Ännes Brüsten zu greifen oder mit seiner Hand unter ihren Rock zu fahren, wenn er sich unbeobachtet glaubte. Bisher verdankte sie es einer großen Portion Glück und dem Eingreifen des wachsamen

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