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Blut und Silber

Blut und Silber

Titel: Blut und Silber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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Großknechtes, dass er sein Ziel noch nicht erreicht hatte. Jede Nacht stellte sie Tiegel und Mörser an der Tür zur Offizin auf, damit sie sofort hörte, wenn sich jemand hereinschleichen wollte. Doch sie wusste, lange würde sie ihm nicht mehr entkommen. Ihm oder einem von Jenzins einflussreichen Kunden, denen sie gehorchen sollte.
    Sie fand sie alle gleichermaßen widerwärtig – sowohl den Kramermeister als auch den liederlichen Gesellen, der sich lieber im Hurenhaus und bei Tanz und Wein die Zeit vertrieb, statt den Beruf seines Oheims zu erlernen. Das hatte ihm den Spottnamen Hans Lobetanz eingetragen. Doch in diesem Haus durfte der Spitzname nicht einmal hinter vorgehaltener Hand genannt werden, wollte man nicht den Zorn des Apothekerpaares auf sich ziehen.
    »Schweig, wir haben jetzt andere Sorgen als deine Hurerei!«, fauchte die dicke Meisterin ihren schlaksigen Neffen an. Dann wandte sie sich wieder Änne zu.
    »Was hast du gehört, Lauscherin?«, schnappte sie.
    »Nichts«, beteuerte Änne ängstlich und hoffte, dass man ihr glauben würde. »Ich bin gerade erst gekommen. Der Burgkommandant schickt mich, ich soll Arzneien holen. Er sagt, er habe es so mit Euch vereinbart, Meister.«
    »Oh, der
Burgkommandant
«, äffte Beata sie nach. »Verkehrst jetzt wohl nur noch mit hohen Herrschaften und nicht mit einfachen Bürgersleuten wie uns. Hat
er
dich so herausgeputzt – der Herr Burgkommandant?«
    Ohne eine Antwort abzuwarten, drehte sich Beata zu ihrem Mann um. »Und wird er dich bezahlen für all die kostbaren Arzneien, der
Herr Burgkommandant!

    »Das wird er«, versicherte Jenzin mit selbstgefälliger Miene.
    Dann fuhr er Änne an: »Hol, was er will, und dann verschwinde! Und denk ja nicht, dass wir dich nutzloses Balg weiter durchfüttern, während du dich auf der Burg herumtreibst! Verdien dir dort dein Brot auf die Art, die du am besten verstehst!«
    Zu seinem Neffen gewandt, fauchte er: »Und du gehst mit ihr in die Offizin und schreibst alles genau auf, was sie mitnimmt!«
    »Aber gern, Oheim«, meinte Hans Lobetanz mit abgründigem Lächeln, stand aufreizend langsam auf und folgte Änne.
     
    Beklommen stand Sibylla vor dem Burgkommandanten. Würde sie jetzt bezahlen müssen für die Rettung und das neue Kleid?
    Ulrich musterte sie kurz, legte sich eine Hand in den Nacken und rieb sich über die verspannten Halsmuskeln. Er musste dringend ein wenig schlafen vor dem nächsten Angriff. Diese Nacht würden sie wohl wieder keine Ruhe finden. Und diesmal würden die Söldner des Königs wahrscheinlich auch mit Leitern gegen die Mauern stürmen. Dann stand ihnen ein Kampf Mann gegen Mann bevor.
    »Du kannst dich setzen«, sagte er zu Sibylla und deutete auf den Platz gegenüber. »Und das Messer aus dem Ärmel nehmen, ehe du dich selbst damit verletzt. Hier wird dir niemand etwas tun.«
    Mit einer Mischung aus Verlegenheit und Trotz holte sie die Waffe hervor und legte sie neben sich.
    Sie hatte ihn wohl unterschätzt. Er wusste, wo man Waffen verbarg – schließlich war er sein Leben lang für den Kampf ausgebildet worden. Und sie hatte ihn wohl auch unterschätzt, was seine Absichten betraf, worüber sie erleichtert war.
    Sie hatten einen gemeinsamen Feind. Sibylla wollte Rache, Rache für ihre ermordeten Gefährten.
    Ob wohl irgendwo ein Eheweib auf den Burgkommandanten wartete? Und wenn ja – ob diese Frau ihm etwas bedeutete?
    »Wie gut bist du im Wahrsagen?«, unterbrach er ihre Gedanken.
    Sie holte tief Luft. Was würde er hören wollen?
    »Ich mag Euch nicht belügen«, sagte sie schließlich. »Ich kann weder aus den Sternen noch aus den Handlinien die Zukunft voraussehen. Ich beobachte die Menschen und sage, was sie hören wollen.«
    »Das ist in etwa das, was ich erwartet habe«, erklärte er und rieb sich wieder die Nackenmuskeln, während er keinen Blick von ihr ließ. »Ich schätze deine Ehrlichkeit. Du sollst meine Männer nicht belügen, wenn sie von dir die Zukunft vorhergesagt wissen wollen. Aber mach ihnen Mut.«
    »Das werde ich«, versprach sie sofort.
    »Gut«, sagte er – und dann, nach einigem Zögern: »Du bist für ein Weib außergewöhnlich tapfer. Jede andere Frau, die ich kenne, wäre zerbrochen.«
    Seit er Sibylla zum ersten Mal gesehen hatte, musste er an eine Begebenheit denken, die einige Jahre zurücklag. Die Nichte eines seiner Gefolgsleute war entführt und geschändet worden. Er selbst hatte dafür gesorgt, dass der Übeltäter gefasst und getötet

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