Blut und Sünde
oder Genießen verstand sie etwas anderes. Dann hätten mehr die Hände mit dabei sein müssen, die ihren Körper streichelten und erforschten. Aber er verließ sich auf seine Lippen.
Auch sie gaben keine Wärme ab. Sie waren kalt. Wie die Hände und die gesamte Haut. In einer weichen Linie glitten sie an ihrem Hals entlang in die Tiefe, und sie rechnete damit, dass sie bald ihre Brust erreichen würden, aber sie stoppten in der Mitte der linken Halsseite. Etwas länger blieben sie dort liegen. Florence merkte, wie sie sich öffneten und wie die Spitze der Zunge gegen ihre Haut stieß.
Die Berührung sorgte bei ihr für eine Verkrampfung. Sie ballte die Hände zu Fäusten und krümmte auch die Zehen. Jetzt wusste sie, dass es bald soweit sein würde, und ihr fiel überdeutlich ein, dass sie es bei dem Meister nicht mit einem Menschen, sondern mit einem Vampir zu tun hatte.
Vampire liebten anders…
Sie beißen, sie saugen Blut. Sie labten sich daran und sorgten dafür, dass ihr Opfer ebenfalls zu den Wesen wurden, die sich dann im Schutz der Dunkelheit bewegten. Die immer lebten, über Jahrhunderte hinweg. Die nur mit bestimmten Waffen getötet werden konnten.
Zum erstenmal nach dem Erscheinen dieser Gestalt wurde Florence Turner bewusst, in welcher Lage sie sich befand. Dieser Augenblick des ›Erwachens‹ reichte jedoch nicht aus, um eine Gegenwehr aufzubauen.
Will Mallmann war schneller. Er biss!
Florence spürte ihn. Der Schmerz sorgte bei ihr für ein hörbares Einziehen der Luft, und sie erlebte auch eine innere Verkrampfung. Wieder zuckten die Zehen, sie winkelte auch die Beine leicht an, aber mehr schaffte sie nicht.
Florence war zu einem Opfer des Blutsaugers Will Mallmann geworden, der sich auch Dracula nannte.
Er hatte an ihrem Hals eine Wunde hinterlassen und so genau gebissen, dass auch eine Ader getroffen war, aus der das Blut quellen konnte, das nun in seinen offenen Mund strömte.
Er schluckte und trank. Er biss sich fest. Er saugte, er knurrte dabei, und seine Hände hatten sich gegen die Schultern der nackten Frau gelegt. Sie drückten sie gegen den Liegesessel, so dass Florence keine Chance bekam, sich zur Seite zu drehen, um die Liege verlassen zu können. Er gab ihr keine Chance.
Das Blut der Menschen war seine Quelle, aus der er sich labte und immer wieder regenerierte. Hier besonders. Sie war sein Opfer, das er sich ausgesucht hatte.
Florence war ihm nicht zufällig in die Arme getrieben worden. Sie gehörte zu seinem Plan, den er bis zum bitteren Ende durchzog. Erst wenn sie zu ihm und seinen anderen Dienern gehörte, war Dracula II zufrieden.
Noch war Florence ein Mensch. Sowohl äußerlich als auch innerlich. Nur spürte sie, wie das Menschliche allmählich aus ihrem Körper entwich. Man raubte ihr das Blut, aber das war es nicht nur allein.
Man nahm ihr auch gleichzeitig die Seele weg. Etwas floss aus ihr in Strömen heraus, und das beschränkte sich nicht allein auf den Saft des Lebens, den Mallmann so verbissen trank.
Er war nicht zu halten. Seine Lippen klebten am Hals der jungen Frau. Bei jedem neuen Saugen sah es aus, als wäre er dabei, Atem zu holen, denn sein Rücken zuckte.
Das Licht ließ seinen Schein über die beiden Körper hinwegfließen. Es schien dunkler geworden zu sein und hatte sich der gesamten Atmosphäre angepasst. Die Düsternis des Besuchers übertrug sich auch auf die Umgebung. Hier herrschte das Grauen, es war das Zimmer der Bestie geworden, in dem sie das Opfer gefunden hatte.
Immer mehr ›Leben‹ rann aus der jungen Frau. Sie wurde zu einer anderen. Sie spürte, dass sich die menschlichen Gefühle allmählich verflüchtigten und sie in einen Strudel hineingeriet, der völlig anders war als alles, was sie kannte.
Sie wurde leicht und schwer zugleich. Etwas aus ihrem Körper musste sich gelöst haben und war nun dabei, sie einfach wegzutragen. Hinein in das neue Leben denn die Grenzen des alten, des normalen hatte sie bereits überschritten.
Aber Mallmann war gierig. Er machte seinem verfluchten Vampirdasein alle Ehre. Gierig sein und das Blut der Schönen genießen. So und nicht anders sah er seine Existenz.
Er trank sie leer. Bis zum letzten Tropfen! Dann erst ließ er von ihr ab. Die Lippen lösten sich vom Hals der jungen Frau, und dabei entstand ein schmatzendes Geräusch. Mallmann richtete seinen Oberkörper auf, blieb allerdings knien und hob nur den rechten Arm an, um sich dann mit dem Handrücken über die Lippen zu wischen. Auf der
Weitere Kostenlose Bücher