Blut und Sünde
das Rauschen des Regens, aber es war anders geworden als sonst.
Keine Kälte auf der nackten Haut.
Es gab überhaupt nichts, das mit einem normalen und menschlichen Gefühl zu tun gehabt hätte.
Keine Wärme, keine Kälte, nur ein Druck in ihrem Innern.
Florence wollte atmen und stellte fest, dass sie es nicht mehr konnte oder auch nicht brauchte. Sie existierte, ohne dass sie Luft holen musste, und als sie sich hinsetzte und der Bademantel von ihren Schultern herabrutschte, da wurde ihr auch nicht kalt. Es gab keine Gefühle mehr.
Sie stand auf. Etwas verunsichert blieb sie schon stehen. Dann ging sie zum Fenster und wunderte sich über ihre eigenen Schritte, die so müde und schlapp wirkten. Wie bei einem Menschen, der lange geschlafen hatte, aber noch ziemlich erschöpft war.
Dann betrat sie das kleine Bad. Alles im Dunkeln, denn sie dachte gar nicht daran, das Licht einzuschalten. Das kleine Bad war nicht mit einem Fenster ausgestattet und wirkte deshalb wie ein finsterer Verschlag. Um etwas sehen zu können, musste sie das Licht einschalten, was sie auch sofort tat.
Ein Schrei. Das Zurückschrecken.
Wie einen harten Stich im Kopf hatte die Helligkeit sie getroffen. Sie sah, wollte aber nicht sehen, schlossa die Augen und wandte zusätzlich noch den Kopf ab.
Sie stöhnte. Es dauerte eine Weile, bis sie sich wieder gefangen hatte und in der Lage war, sich aufzurichten. Sie trat hinein in das Bad und hörte dabei das Geräusch ihrer tappenden Schritte. Die Augen hielt sie offen, sie drehte den Kopf, weil sie in den Spiegel schauen wollte, um zu sehen, was mit ihr geschehen war.
Der Spiegel über dem Waschbecken war nicht groß, aber er hatte ihr bisher ausgereicht, um sich zu sehen. Zumindest das Gesicht bis hinab zum Brustansatz. So war es immer gewesen. Und jetzt?
Sie sah sich nicht. Nein, der Spiegel gab ihr Bild nicht wieder. Florence stand davor und sah nicht einmal einen Schatten. Die Fläche vor ihr blieb leer.
Zurück in das andere Zimmer kehrte sie zunächst nicht. Nackt blieb sie vor dem Spiegel stehen und begann, nachzudenken. Besser gesagt, sie kramte in ihrer Erinnerung und dachte dabei vor allem an die vergangene Nacht, denn sie hatte schließlich die Veränderungen gebracht.
Etwas war passiert. Etwas Entscheidendes, das nur sie etwas anging. Eine Umwandlung. Noch war sie Mensch, zumindest äußerlich, aber sie fühlte nicht mehr wie ein Mensch. Einem Menschen machte Licht nichts aus, er liebte es. Bei ihr war das Gegenteil eingetreten. Die nicht eben starke Helligkeit im Bad störte sie, und Florence drehte sich einfach um, denn sie musste den kleinen Raum verlassen, damit es ihr besser ging.
Mit der Schulter streifte sie an der Türkante entlang und war froh, das Dunkel des größten Zimmers der Wohnung zu erreichen. Erst in dieser Atmosphäre ging es ihr besser.
Sie dachte auch nicht daran, sich etwas überzuziehen, denn es gab kein Frieren mehr. Florence setzte sich wieder hin und begann, ihren Körper zu betasten. Dabei dachte sie an den Besuch des Meisters, sie sah die dunkle Gestalt mit dem roten D auf der Stirn wieder vor sich und spürte noch im nachhinein den Schauder, der sich nur in ihrem Innern ausbreitete und die Haut in Ruhe ließ.
Er war zu ihr gekommen. Er hatte sich zu ihr gesetzt. Er hatte sich über sie gebeugt und dann…
Ja, sie wusste es wieder. Bevor der Gedanke richtig in ihr Gestalt angenommen hatte, hob sie bereits den linken Arm, fuhr mit den Fingerkuppen am Hals entlang und wusste sehr bald Bescheid.
Sie fühlte die Wunden. Zwei kleine Krater waren es, die sich an ihren Rändern wie aufgerollt zeigten.
Bisswunden!
Er hatte zugebissen.
Es störte sie nicht, dass es im Haus und auch draußen noch still war und ebenfalls das Fenster nicht geschlossen war. Die Gefühle brauchten freie Bahn. Und deshalb lachte sie wie nie in ihrem Leben.
Es war das Lachen des Wissens und der Befreiung. Zugleich zeugte es davon, dass Florence Turner ihr neues Schicksal angenommen hatte. Sie war nicht mehr der Mensch der letzten Tage und Nächte, sondern zu einem neuen Wesen geworfen. Zu einem Vampir!
Kein Mann, ein Weib, eine Frau, die ebenso das Blut der Menschen trinken würde wie andere auch.
Plötzlich zitterte sie, weil sie von einem wilden Verlangen erfüllt war. Sie hob die rechte Hand und führte sie zum Mund, den sie langsam öffnete. Dabei dachte sie an den Anblick des Meisters, der ihr ebenfalls seine Zähne gezeigt hatte. Wenn sie zu seiner Braut geworden war,
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