Blut und Sünde
Weg weiterzugehen.
Marsha lag leicht gekrümmt am Boden. Sie war auf die rechte Seite gefallen, so war der Hals links deutlich zu sehen - und auch die beiden Bissstellen, die sich dort abzeichneten. Florence hatte ihre Zähne tief in die Haut gehackt. Entsprechende Krater hatten sich dort gebildet, die an den Seiten blutverschmiert waren.
Blut klebte auch an den Lippen der Untoten. Sie wischte die Reste weg und leckte sie dann ab. Als sie dann auf ihre Korsage schaute, entdeckte sie auch dort einige Spritzer. Abwischen wollte sie das Zeug nicht. Es passte zu ihre Bühnenverkleidung. Sie war sicher, dass noch einige folgen würden.
Es wurde Zeit für sie. Bevor Florence ging, bückte sie sich und tätschelte die Wange der anderen Untoten. »Wir sehen uns, Schwester«, flüsterte sie. »Wir sehen uns ganz bestimmt…«
Ihr Lachen konnte sie nicht mehr halten. Es musste einfach aus ihr heraus. Es hörte erst auf, als sie die Tür öffnete und in den Gang hinaustrat.
Florence Turner war satt und stark. Nichts erinnerte mehr an die Schwäche, die sie noch während der Fahrt zum Ziel so gezeichnet hatte. Die Zukunft sah gut aus, und Florence würde alles erfüllen, was der Meister von ihr erwartete…
***
Der Aufbau stimmte. Osmin ging über die Bühne und schaute sich die Details an. Da standen die Kerzen in den Leuchtern. Da war auch der große Sarg genau in die Mitte geschoben worden, allerdings hatte man ihn noch nicht geschlossen. Es war der Platz für Florence Turner. Sie musste erst in ihm liegen, dann sollte der Deckel geschlossen werden, der genügend Löcher enthielt, um Florence die entsprechende Atemluft zu geben. Das Publikum sah die Bohrungen nicht. Es konnte nur gegen und nicht auf den Sarg schauen.
Der Hintergrund stimmte auch. Die Kulissen waren als dunkles Gewölbe gemalt worden und mit einer Treppe versehen, die in die Tiefe führte. Da hatte der Maler die Perspektive sehr gut getroffen.
Katharina hielt sich noch hinter den Kulissen auf und sprach mit den anderen Akteuren. Viele waren es nicht. Zwei Mönche und zwei Tänzerinnen, die auch sangen oder nur so taten, denn die Musik kam vom Band. Osmin hatte die Anlage überprüft, sie auch kurz laufen lassen und war sehr zufrieden damit. Ton und Qualität stimmten. Es konnte eigentlich nichts schief gehen.
Er selbst war auch schon kostümiert. Seine Bühnenkleidung passte nicht in die heutige Zeit. Er erinnerte an einen Edelmann mit seinen Kniestrümpfen, der Kniehose - alles in Schwarz -, der roten Weste über dem weißen Hemd. Einen Degen trug er ebenfalls, und er würde ihn auch bühnenwirksam einsetzen. Auf dem Kopf saß ein Hut, der mit einem Federbusch verziert war. Die Kerzendochte würden sie erst kurz vor Beginn der Vorstellung anstecken. Das Licht der Scheinwerfer war so ausgerichtet worden, dass es das natürliche nicht störte.
Er verließ die Bühne durch den schmalen Ausgang an der linken Seite, wo ein Techniker noch einmal alles durchging und über ein Sprechgerät seinen beiden Mitarbeitern auf dem Schnürboden die letzten Anweisungen gab. Er drückte sich gegen sein Pult, um Osmin vorbeizulassen.
»Deine Frau ist in Form, Osmin.«
Gorman blieb stehen. »Wie meinst du das?«
»Frag sie selbst.«
»Das muss ich wohl.«
Hinter der Bühne hatten sich die Akteure versammelt. Es sah so aus, als hätte Katharina Gorman sie antreten lassen. Das Licht war nicht eben strahlend, trotzdem reichte der Schein aus, um die betretenen Gesichter sehen zu lassen.
»Was ist denn überhaupt los? Warum sehe ich nichts von Florence, verdammt?«
»Sie wird noch kommen. Bisher ist sie immer pünktlich gewesen«, erklärte Osmin.
Seine Frau fuhr herum. »Ach, da bist du ja endlich. Kommst du von ihr? Habt ihr beide noch ein Quicky geschoben?«
Osmin winkte ab. »Hör doch mit dem blöden Gerede auf. Ich war auf der Bühne.«
»Und?«
»Da ist alles okay.«
»Nur hier nicht.«
»Es ist noch Zeit, verdammt!« zischte Osmin.
»Klar, aber ich bin nervös.« Katharina nagte an ihrer Unterlippe. »Diese Faxen hat sie sonst nicht gemacht, das weißt du selbst. Florence war immer kooperativ.«
»Kann sein, dass sie sich als Star fühlt.«
»Das soll sie mal nur lassen. Wenn jemand hier der Star ist, dann…«
»Bist du es nicht, Kathy. Das ist unser Team.«
»Schon gut.«
Osmin blieb ruhig. Seine Frau Katharina war heute besonders schlimm. Er kannte sie ja. Vor einer Show war sie immer nervös, doch jetzt schien ihr einiges quergelaufen zu
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