Blut Von Deinem Blute
Stirn. »Worüber?«
»Tja«, sagte Laura. »Wenn ich das wüsste ...«
»Aber du solltest wirklich versuchen, morgen Abend dabei zu sein«, kam ihre Patentante noch einmal auf das Meeting zurück. »Immerhin gehört dir die Hälfte von allem. Und es wäre mir viel daran gelegen, wenn du deine Schwester mal in Aktion erlebst.«
Keine Sorge, dachte Laura, das habe ich bereits. »Da ist noch etwas anderes, über das ich gern mit dir sprechen würde«, wandte sie sich wieder an ihre Patentante.
»Ja?«
»Weiß du, ob sich meine Mutter vor irgendwem gefürchtet hat?«
Cora sah verwundert aus. »Wie kommst du denn auf die Idee?«
»Ich habe ein paar Dinge gefunden, die mich beunruhigen. Bei ihren alten Sachen.«
»Was für Dinge?«
»Einen Zettel.«
Cora Dubois legte ihre Serviette neben ihren abgegessenen Teller und blickte ihr Patenkind fragend an.
»Es ist ein Stück aus einem Notizbuch, glaube ich«, erklärte Laura. »Und es steht nur ein einziger Satz darauf.« Sie holte tief Luft. »Ich habe das Gefühl, jemand trachtet mir nach dem Leben.«
Zumindest nach außen hin blieb Cora vollkommen gelassen. Aber das tat sie eigentlich immer. »Und du bist sicher, dass es tatsächlich deine Mum gewesen ist, die das geschrieben hat?«, hakte sie nach.
Laura nickte. »Es ist eindeutig ihre Handschrift.«
»Könnte es ein Teil eines Briefes sein?«
Laura dachte einen Moment über diese Möglichkeit nach. »Ich glaube nicht«, sagte sie schließlich. »Es sieht, wie gesagt, eher aus, als habe sie den Zettel aus einem Notizbuch gerissen. Er steckte übrigens in einem Buch, zwischen den Seiten.«
Noch immer zeigte Cora keine nennenswerte Reaktion. Trotzdem glaubte Laura, einen Anflug von Alarmiertheit in ihren Augen zu erkennen.
Vielleicht weiß sie ja doch mehr, als sie zugibt, dachte sie. Immerhin sind meine Mutter und sie beste Freundinnen gewesen. Und beste Freundinnen erzählten einander doch alles, was sie bewegte, oder nicht? Laura überlegte, ob sie ihrer Patentante auch von dem zerschnittenen Kleid berichten sollte, verwarfden Gedanken jedoch schnell wieder. Sonst fing Cora nur wieder davon an, dass sie zu ihr ziehen solle.
»Hat sich meine Mutter verfolgt gefühlt?«, fragte sie stattdessen geradeheraus.
Cora zögerte. »Ich finde, du solltest diese Dinge auf sich beruhen lassen«, sagte sie anstelle der Antwort, auf die Laura gehofft hatte. »Das alles ist doch nun schon so lange her ...«
»Aber ich muss es wissen!«, fuhr Laura auf. »Und ich werde es herausfinden. Mit oder ohne deine Hilfe«, setzte sie trotzig hinzu.
Ihre Patentante blickte sie eine ganze Weile schweigend an. »Na schön«, sagte sie schließlich. »Ja, ich habe ein paar Mal den Eindruck gehabt, dass deine Mutter sich gefürchtet hat. Und nein, sie hat mir nie gesagt, wovor oder ...«, sie schob ihren abgegessenen Teller von sich, »... vor wem. Kurz vor ihrem Tod allerdings ...« Sie brach ab und wandte unwirsch den Kopf.
»Was?«, insistierte Laura.
»Bevor Louisa gestorben ist, hatte ich eine Zeit lang den Eindruck, und ich sage ganz bewusst: den Eindruck, dass sie sich in Gegenwart eures Vaters zunehmend unwohl fühlte.« Sie hob abwehrend die Hände, als sie sah, dass Laura an diesem Punkt einhaken wollte. »Oh nein«, versicherte sie, »es gibt absolut nichts, woran ich diese Empfindung festmachen könnte. Und deine Mutter hat mir gegenüber auch nie etwas geäußert, das ich in dieser Richtung hätte deuten können. Aber wenn du so unbedingt mehr darüber wissen willst, solltest du vielleicht nach der Person suchen, für die dieser Zettel, den du gefunden hast, bestimmt war, meinst du nicht auch?«
Laura starrte sie an. Sie hatte recht! Ihre Mutter musste einen Grund gehabt haben, einen derart ungeheuerlichenVerdacht auf ein Stück Papier zu notieren. Vielleicht hatte sie den Zettel irgendjemandem zukommen lassen wollen. »Wer könnte das gewesen sein?«, fragte sie atemlos.
Ihre Patentante schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung. Aber du hast doch gesagt, dass der Zettel in einem Buch steckte, nicht wahr?«
»Ein Gedichtband«, nickte Laura. »Von Verlaine, glaube ich.«
»Dann musst du herausfinden, wem dieses Buch in Wirklichkeit gehört hat«, schloss Cora mit der ihr eigenen kompromisslosen Logik.
»Du meinst, Mum könnte sich das Buch ausgeliehen haben?«, fragte Laura aufgeregt, weil sie selbst bislang nicht auf die Idee gekommen war.
Ihre Patentante zuckte die Achseln. »Louisa hat gern und viel gelesen«,
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