Blut Von Deinem Blute
das Beste halten, wenn du erst mal zu mir ziehst. Ich sorge schon dafür, dass du wieder zu Kräften kommst.«
»Schamlos ausnutzen würde ich dich«, scherzte Laura, auch wenn ihr alles andere als komisch zumute war.
»Ich lasse mich gern ausnutzen«, versetzte ihre Patentante, noch immer ernst. »Also pack deine Sachen zusammen und ...«
»Das ist ganz lieb gemeint. Aber ...« Laura hob hilflos die Hände. »Ich möchte dort bleiben.«
»Du meinst bei deiner Schwester?«
»Ich meine in meinem Elternhaus.«
Für einen flüchtigen Moment hatte Laura das Gefühl, als lege sich ein Schatten über Coras Gesicht. Doch der Eindruck verflog so schnell, wie er gekommen war. »In Gottes Namen«, sagte sie leise. Dann sah sie an ihrem Patenkind vorbei zum Eingang, von wo aus ihnen Ginny mit eiligen Schritten entgegenkam.
Laura hatte den Eindruck, dass sie selbstbewusster geworden war. Sicherer. Sie erinnerte sich an die wenig schmeichelhaften Beinamen, mit denen ihr Vater die Frau seines Geschäftsführers bedacht hatte. Und daran, dass ihre Mutter Ginny Marquette einmal als eine »tiefbesorgte Frau« bezeichnet hatte. Mittlerweile jedoch schien sie ihren Platz gefunden zu haben. Vielleicht hatten die vielen Jahre, die ihre Ehe mit Ryan nun schon Bestand hatte, ihr tatsächlich das Gefühl gegeben, dass sie nicht mehr verlieren konnte. Jedenfalls nicht mehr auf ganzer Linie.
»Ich habe leider nicht viel Zeit«, verkündete sie, kaum dass sie den Tisch der beiden Frauen erreicht hatte, und Laura suchte vergeblich nach etwas wie Bedauern in ihrem Gesicht. »Ein wichtiger Termin mit einem Reiseveranstalter.« Sie zuckte die Achseln. »Aber ich wollte wenigstens kurz Hallo sagen.«
Laura lächelte. »Hallo.«
»Schön, dass du wieder mal hergefunden hast.«
War das etwa Hohn, was da in ihren Augen lag?
Ihre Patentante schien sich insgeheim dieselbe Frage zu stellen, zumindest schloss Laura das aus der Art, wie sie Ginny ansah. »Ich freue mich auch, hier zu sein.«
Sie nickte. »Bist du Ryan schon begegnet?«
Laura bejahte. Sie waren einander über den Weg gelaufen,als sie das Beau Rivage betreten hatte, und sie war erschrocken, wie stark sich Ryan in den vergangenen fünfzehn Jahren verändert hatte. Er hatte sie herzlich, fast überschwänglich, begrüßt, und sie hatten ein paar unverbindliche Höflichkeitsfloskeln ausgetauscht, bevor er sich mit einer gemurmelten Entschuldigung irgendwohin verzogen hatte. Lauras Finger spielten mit dem Messer, das sie auf dem Rand ihres Tellers abgelegt hatte. Sie dachte wieder an die fehlerhaften Abrechnungen, von denen ihre Patentante erzählt hatte. Sie war noch immer nicht sicher, ob sie auch diese Spur verfolgen oder sich doch lieber ganz auf ihre Schwester konzentrieren sollte. Immerhin hatte Cora nicht zu Unrecht angemerkt, dass die Polizei aller Wahrscheinlichkeit nach sämtliche Geschäftsunterlagen aus der Zeit vor dem Mord überprüft hatte. Aber bedeutete das zwingend, dass Ryan unschuldig war? Und dass ihr Vater sich geirrt hatte, als er seinen Geschäftsführer der Unterschlagung bezichtigte?
Ihr habt mich reinlegen wollen mit dem verdammten Beil, flüsterte Mias Stimme hinter ihrer Stirn. Und das bedeutet, dass mich irgendwer von vorn bis hinten verarscht hat ...
Laura strich sich die Haare zurück. »Und wie läuft es hier im Hotel?«
Ginny zog die Schultern hoch. »Die Belegung ist ausgezeichnet«, erklärte sie. »Aber natürlich haben wir nach wie vor mit einem erheblichen Renovierungsstau zu kämpfen.« Sie tauschte einen Blick mit Cora, die beipflichtend nickte. »Ryan wird morgen einen neuen Entwurf vorlegen ...« Sie sah Laura an. »Du kommst doch?«
»Morgen Abend findet unser monatliches Meeting mit der Geschäftsleitung statt«, erklärte ihre Patentante eilig.»Du weißt schon, der Jour fixe, über den wir neulich sprachen.«
»Natürlich«, nickte Laura. »Ich sehe zu, dass ich das einrichten kann.«
Ginny nickte auch. »Ich weiß, es ist schrecklich unhöflich, aber ich muss wirklich schon wieder los.« Sie streckte Laura eine gepflegte, aber eiskalte Hand entgegen. »Wir sehen uns ja dann morgen Abend. Und vielleicht können wir an einem der nächsten Tage auch mal zusammen essen?«
»Gern«, sagte Laura.
Ginny lächelte ihr zu. »Ruf mich einfach an, wenn du Zeit hast.«
»Was sollte das denn sein?«, fragte Cora, als sie fort war. »Ich denke, sie wollte sich einen ersten Überblick verschaffen.«
»Einen Überblick?« Cora runzelte die
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