Blutaxt: Die Eingeschworenen 5 - Roman (German Edition)
zwischen uns und ein paar Fässern mit gepökeltem Dorsch keinen großen Unterschied zu geben«, bemerkte Gjallandi, der neben Krähenbein auftauchte, » während deine neuen Auserwählten dies wahrscheinlich für einen Vergnügungsausflug halten, an dessen Ende sie ein bisschen mit dem Schwert herumfuchteln, worauf du zum König von Norwegen gekrönt wirst. Aber sie werden die Wahrheit noch früh genug erfahren.«
Er schüttelte den Kopf, worüber alle, die ihn noch nicht kannten, lachen mussten, denn er war ganz und gar kein Seeräuber. Er war alles in allem ein sehr gewöhnlicher Mann. Nur zwei Dinge zeichneten ihn aus – sein Kopf und seine Stimme. Sein Kopf war riesig, mit einem Kinn wie ein Schiffsbug und vollen Lippen, umgeben von einem säuberlich gestutzten Bart. Sein Haupthaar, das stark zurückwich, hatte einen schönen Kupferton, und wenn die Brise ihm ins Gesicht blies, wehte es höchst malerisch im Wind. Murrough pflegte zu sagen, es sei gar nicht sein Haar, das zurückweiche, sondern sein Kopf, der von dem vielen Wissen darin immer größer werde.
Dieses Wissen, zusammen mit seiner Stimme, hatten ihn reich gemacht. Zuerst bei einem Jarl namens Skarpheddin, danach bei Jarl Brand. Er hatte Brand verlassen, nachdem er ihm gesagt hatte, es sei nicht recht gewesen, Jarl Orm für den Verlust seines Fostri so hart zu bestrafen – was laut Murrough und anderen nur bewies, dass Gjallandi seinen Mund manchmal aufmachte, ehe er sein Hirn in Gang gesetzt hatte.
Jetzt war er zu Krähenbein gekommen, denn wie er sagte, kannte kaum einer mehr Sagen und Märchen als dieser Junge, außerdem war diese Geschichte, wie der Prinz von Norwegen jetzt aus dem Exil zurückkam, um seinen rechtmäßigen Thron zu gewinnen, zu gut, um sie zu verpassen. Krähenbein hatte in das gutmütige Lachen der anderen eingestimmt, aber insgeheim freute er sich, dass hier jemand war, der seinen Ruhm verbreiten würde. Der Gedanke daran wärmte und tröstete ihn wie ein volles Trinkhorn am flackernden Herdfeuer.
» Die Krönung wird schon rechtzeitig stattfinden«, erwiderte Krähenbein laut genug, dass alle es hören konnten. » Und inzwischen warten Schiffe und Männer auf uns.«
» Zweifellos«, sagte Halk, der Steuermann, in seinem seltsam singenden Tonfall, » aber ob die auch wissen, dass du kommst?«
Der Humor in seiner Stimme nahm der Frage die Spitze, und Krähenbein lächelte.
» Wenn man weiß, wohin man geht«, erwiderte er, » dann werden die anderen auch da sein.«
Es war klar, dass Hoskuld seinen Männern nicht viel darüber erzählt hatte, was bei einer sechsköpfigen Mannschaft, wo jeder auf den anderen angewiesen war, nicht sehr klug war. Krähenbein traute Hoskuld nicht recht, obwohl dieser von der Insel Man gekommen war, um seine geheimnisvolle Botschaft zu überbringen – und höchstwahrscheinlich hatte man ihn dafür auch nicht bezahlt, denn es war allgemein bekannt, dass Christenmönche kein Geld hatten.
» Ich tat es um Gotteslohn«, hatte Hoskuld erwidert, als Krähenbein ihn danach gefragt hatte, und sein wettergegerbtes Gesicht hatte nichts weiter verraten. Seine Männer sagten noch weniger und hielten Augen und Hände auf ihre Arbeit gerichtet, aber Krähenbein wusste, dass Hoskuld gelogen hatte, und diese Lüge lag auf ihm wie Seenebel. Dennoch, Hoskuld war Orms Freund, das war ihm wichtig und musste vorerst genügen.
Krähenbein saß da und sah zu, wie das Land an ihm vorbeizog, während die See sich langsam und rhythmisch hob und senkte wie eine Fläche aus dunklem Glas.
Er beobachtete die Möwen. Hoskuld schiffte nie so weit von der Küste entfernt, dass man sie nicht sah, und Krähenbein hörte zu, wie sie sich kreischend über jedes Anzeichen von Fisch verständigten. Eine Möwe saß auf der Spier, ohne auf das geblähte Segel zu achten, und diesen Vogel beobachtete Krähenbein besonders aufmerksam. Er spürte das bekannte Kribbeln an Hals und Armen, ein sicheres Zeichen, dass etwas geschehen würde.
Die Männer der Or-skreiðr wickelten die Taue auf, sie schöpften Wasser aus, refften die Segel und ergriffen das Steuerruder, während sie Krähenbein und seine acht Leute aus den Augenwinkeln beobachteten. Er konnte ihr Unbehagen und ihr Misstrauen fast körperlich spüren, doch noch stärker war ihre Furcht. In ihren Augen waren sie heidnische Plünderer, die sie, die friedlichen getauften Christenmenschen, Seeleute und Händler, auf ihren Fahrten von einem Hafen zum anderen ganz und gar nicht
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