Blutberg - Kriminalroman
…«
»Bestimmt war sie gar nichts, verdammt noch mal!«, fauchte Guðni. »Meine Tochter ist keine verdammte Nutte, basta!«
Stefan nickte. »Nein, nein, in Ordnung. Hast du Verbindung zu dem Mädchen?«
»Was zum Teufel meinst du damit?«
Stefán hatte zwar Mitleid mit Guðni, doch es hielt sich in Grenzen.
»Genau das, was ich sage«, antwortete er schroff. »Und ich bin der Meinung, dass du dich gefälligst an die Spielregeln halten solltest. Wir sind hier schließlich alle miteinander
darum bemüht, sicherzustellen, dass die Sache nicht an die große Glocke kommt. Was glaubst du, weshalb sie hierher gebracht wurde und nicht nach Egilsstaðir? Es ist wohl das Mindeste, dass du in dieser Situation ein etwas anderes Verhalten an den Tag legst. Also frage ich noch einmal, und ich möchte eine Antwort und keine pampigen Gegenfragen. Hast du Kontakt zu Helena?«
Guðni schüttelte verdrossen und störrisch den Kopf. »Nein«, gab er nach langem Schweigen zu, »sozusagen überhaupt keinen.« Er griff in seine Brusttasche und zog die Schachtel mit den Stumpen heraus. »Aber das Mädchen ist in Ordnung.« Der Stumpen wanderte an seinen Platz, und er zückte sein Feuerzeug.
Stefán streckte sich nach dem Fenster hinter ihm aus und öffnete es einen Spalt. »Gib mir auch einen«, sagte er. Sie zündeten sie an und pafften beide eine Weile, während jeder in seine eigene Leere starrte.
»Wie geht es weiter?«, fragte Guðni schließlich.
»Wir unterhalten uns mit ihr«, erklärte Stefán, »und finden heraus, was das arme Ding über diese Sache weiß.« Er zuckte die Achseln. »Wenn es nur die geringste Möglichkeit gibt, halten wir sie aus dem, was danach kommen wird, heraus. Aber du weißt, wie so etwas läuft.«
»Ja, ich weiß, wie so etwas läuft.« Guðni räusperte sich und stand auf. »Ich weiß, dass … dass ich erst mit ihr sprechen kann, wenn ihr mit ihr fertig seid. Aber …« Er zögerte.
»Aber?«, wiederholte Stefán. »Raus mit der Sprache, mein lieber Guðni. Wie gesagt, wir tun alles, was wir können, damit …«
»Ich weiß, ich weiß.« Guðni räusperte sich wieder. »Ich möchte dich nur bitten, dass du das selber machst«, sagte er heiser. »Sie zu verhören, meine ich. Ich wäre dir sehr dankbar. Ich weiß, dass du nicht … nicht …« Er hatte offensichtlich
Formulierungsschwierigkeiten. Stefán nickte. Du weißt, dass ich mich nicht verhalte wie du, dachte er, du weißt, dass ich sie nicht so lange drangsaliere, bis sie zusammenbricht, dass ich ihr nicht alles Mögliche androhe und nicht ausfällig werde …
»Ich rede mit ihr«, versicherte er. »Oder Katrín. Vielleicht wäre sie noch besser. Mach dir keine Sorgen.« Überraschenderweise schien Guðni geradezu erleichtert zu sein, als Stefán Katríns Namen ins Spiel brachte.
»Danke.« Er drehte sich um, öffnete die Tür und verließ das Büro gebückt und mit schleppenden Schritten. Stefán stöhnte.
»Mein lieber Guðni«, murmelte er. Das hatte er nie zuvor gesagt. Auf jeden Fall nicht in diesem Ton, nicht in all den elf Jahren, die sie nunmehr zusammenarbeiteten. Guðni war einfach nicht der Typ, der Mitgefühl bei seinen Mitmenschen hervorrief, eigentlich sogar eher genau das Gegenteil. Der verdammte Kerl. Oft genug waren sie in diesen elf Jahren aneinandergeraten, meist deswegen, weil der Kerl seine Anordnungen durchkreuzte oder sich schlichtweg über sie hinwegsetzte. Manchmal mit vorhersehbaren Folgen, aber Stefán musste - zumindest vor sich selbst - zugeben, dass sein Verhalten manchmal zu konkreten Ergebnissen geführt hatte, die mit anderen und üblicheren Methoden nicht zu erzielen gewesen wären. Oft genug hatte er den Kerl feuern, seltener ihn in die Arme schließen wollen, und ein paar Mal hätte er am liebsten zugeschlagen. Nie zuvor jedoch hatte er ihn bemitleidet, und er war sich auch gar nicht sicher, ob das angebracht war. Der arme Kerl, dachte Stefán. Er schreckte aus seinen Gedanken hoch, als es klopfte und Katrín ihren Kopf zur Tür hereinsteckte.
»Komm rein«, sagte er. »Was gibt’s Neues?«
»So einiges, kann ich dir sagen«, erklärte Katrín und ließ
sich auf den Stuhl fallen, den ihr Kollege zuvor angewärmt hatte. »Aber was war denn mit Guðni los?«
»Was meinst du?«
»Nichts Besonderes. Wäre es nicht Guðni gewesen, hätte ich schwören können, dass der Mann am Heulen war, als ich ihn vorhin im Eingang getroffen habe. Was ist hier los?«
20
Dienstag
Nach fünf Minuten unter der
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