Blutberg - Kriminalroman
aber völlig vergessen, weil ich die Garage nur als Abstellraum benutze. Ich musste das Zeug wegkippen, und ehrlich, ich hab noch nie so was Fürchterliches gerochen.« Er verzog das Gesicht und trank einen Schluck. »Seitdem halte ich mich an die Rotweinbeutel im Alkoholmonopol. Aber der hier ist eigentlich besser, ehrlich.«
»Auf jeden Fall nicht schlechter«, brummte Stefán zufriedener, als er zugeben wollte, und setzte seine giftgrüne Kappe zurecht.
»Ist doch sowieso alles dieselbe Plörre«, musste Guðni seinen Senf dazugeben. »Ich kapier nicht, warum ihr euch so anstrengt, um Rotwein zu panschen. Da macht es doch wesentlich mehr Sinn, Schnaps zu brennen.« Er schüttelte verächtlich den Kopf. »Dieses Zeugs ist doch höchstens was für Weiber und Schwule. Ich zieh einen anständigen Wodka vor.« Er trank sein Glas aus und rülpste laut und vernehmlich. »Und wo wir schon bei Schwulen sind«, fuhr er fort, »gibt’s was Neues von unserem fünften Mann? Kriegen wir wirklich keinen Ersatz für Friðrik, the fucking arsehole ? Sollen wir echt nur zu viert weitermachen?«
»Ja, wie ist der Stand der Dinge eigentlich?«, fragte Katrín und ließ sich nichts anmerken. »Das ist doch jetzt schon ziemlich lange her, fast anderthalb Jahre, oder?«
Stefán schüttelte den Kopf. »Ich weiß immer noch nichts. Habe gestern noch Svavar gefragt, aber er kann angeblich auch nichts dazu sagen.«
Katrín blies sich eine Locke aus dem Gesicht und sah ihn fragend an. »Sollte nicht Steini zu uns stoßen? Das habe ich jedenfalls irgendwo gehört.«
»Doch, das stand wohl zur Diskussion«, sagte Stefán etwas zögernd, »aber irgendwie scheint die Sache nicht so einfach zu sein.«
»Wer ist Steini?«, fragte Árni.
»Þorsteinn«, antwortete Katrín. »Du kennst ihn bestimmt, er ist bei der Verkehrspolizei. Groß, dunkelhaarig und etwas älter als du. Ein attraktiver Junge …«
»Attraktiv, my arse «, unterbrach Guðni sie, »der ist doch so schwul, wie er lang ist. Deswegen habe ich ja gefragt, ich hatte das nämlich auch gehört. Was meinst du Stefán, hat man das gestoppt?«
Stefán zog die Schultern hoch. »Wie ich schon sagte, ich weiß es einfach nicht. Irgendetwas ist da aber, weshalb sich die Sache so rauszögert.«
»Verdammt noch mal, ich will bloß hoffen, dass die Sache aus der Welt ist«, sagte Guðni. »Ich will keinen verdammten Arschficker in unserer Abteilung. Ich kapier nicht, wieso sie solche Typen überhaupt bei der Polizei zulassen.«
Nach kurzem, verlegenen Schweigen sprang Árni auf. »Leute, wie wär’s mit Kaffee?«
»Kaffee wär prima«, sagte Katrín, »vielen Dank.«
»Ja, unbedingt«, pflichtete Ragnhildur ihr bei.
»Ja, danke, für mich auch«, sagte Sveinn.
»Wär vielleicht nicht schlecht«, stimmte Stefán ein.
»Ich hab ihn schon gekocht, er ist in der Thermoskanne«, erklärte Ásta.
»Scheiß was auf Kaffee«, sagte Guðni, »ich halt mich an den Wodka.«
Als Árni in der Küche verschwunden war, senkte sich wieder Schweigen über das Zimmer, bis Ragnhildur es nach Räuspern von verschiedenen Seiten, das aber zu nichts führte, entschlossen durchbrach.
»Grauenvoll, dieses Unglück da oben in Kárahnjúkar«, sagte sie, um einfach irgendetwas zu sagen.
Die Stille im Krankenzimmer war beinahe feierlich. Der junge Mann mit dem zerquetschten Bein schlief den tiefen Medikamentenschlaf, und Jorges Zustand schien einigermaßen stabil zu sein, der Herzschlag war schwach, aber regelmäßig, und die Temperatur schwankte zwischen achtunddreißig und achtunddreißigfünf.
Jorges Kumpel, der sich als Joaquim vorgestellt hatte, saß immer noch wie angeleimt an dessen Bett und ließ sich nicht vertreiben. Viktor hatte mehrmals versucht, ihm klarzumachen, dass Jorge nicht so bald wieder zu Bewusstsein kommen würde und es deswegen nichts brächte, bei ihm zu sitzen, doch schließlich gab Viktor auf und kümmerte sich nicht mehr um den Mann. Es gab genügend andere Dinge, über die er nachdenken musste.
Die Neonleuchten waren aus, es brannten nur zwei Wandlampen und ein kleines Teelicht, das Joaquim auf den Nachttisch seines Freundes gestellt hatte. Viktor stand am Fenster und starrte hinaus. Er hatte getan, was in seinen Kräften stand, und gemessen an den Umständen seine Sache gut gemacht: Er hatte ein Menschenleben gerettet, was doch wohl schwerer wiegen musste als ein paar Finger oder sogar ein Fuß; der hätte unter anderen und besseren Umständen
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