Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutberg - Kriminalroman

Blutberg - Kriminalroman

Titel: Blutberg - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
Vom Netzwerk:
nicht nur seine Kollegen sondern auch seine Partnerin es sowohl an Mitleid als auch Bewunderung erheblich mangeln ließen. Er hatte in akuter Lebensgefahr geschwebt und war mit knapper Not einem tragischen Tod entronnen, aber alle miteinander waren anscheinend fest entschlossen, ihm Ehre und Anerkennung zu verweigern. Nur seine Mutter nicht. Sie war die Einzige, die ihn richtig verstand und unablässig versucht hatte, ihn anzurufen, nachdem sie die ersten Nachrichten über die Ereignisse gehört hatte. Sie war vor Sorge um ihren Jungen fast umgekommen, bis sie endlich mit ihm sprechen konnte. Und wenigstens sie hatte auch angemessen aufgestöhnt, als er ihr erzählte, wie wenig daran gefehlt hatte, dass ihr Sohn ein kaltes und frühes Grab gefunden hätte - gar nicht zu reden davon, dass er eventuell sogar mit den Gletscherfluten ins Meer gespült und auf den Atlantik hinausgetrieben worden wäre.

    Ásta dagegen ließ ihm keine Zeit, um sich derartig tragischen Phantasien hinzugeben.
    »Wieso, stimmt das nicht?«, fragte sie.
    »Vielleicht«, gab Árni widerwillig zu. »Vielleicht ist das logisch. Und wahrscheinlich. Es war aber - ein entsetzliches Erlebnis. Ich meine, wir waren wirklich gerade erst von der Brücke runter, als …«
    »Ich weiß«, unterbrach Ásta ihn, »das war natürlich entsetzlich. Das verstehe ich total. Ich meine, wenn so etwas passiert, denkt man ja nicht logisch, selbstverständlich nicht. Es muss ja ein irrer Schock gewesen sein.« Sie wartete. Árni bekam einen Kloß im Hals und verspürte ein Brennen im Rachen, und gleichzeitig schlotterte er am ganzen Körper. Die angestaute Spannung musste sich entladen. Da verstand sie ihn endlich auch. Das Gespräch zog sich sehr in die Länge, doch Ásta legte eine bewundernswerte Geduld an den Tag.
     
    Guðni spähte übellaunig in den Kühlschrank in der Kantine, der Tag und Nacht allen zur Verfügung stand. Er enthielt Yoghurt, Obst, Sauermilch und irgendwelchen anderen Pamps, aber nichts Genießbares.
    »Da findest du nichts Vernünftiges.« Guðni blickte hoch. Der Koch stand in der Küchentür und blinzelte ihm zu. »Komm in die Küche, ich hau uns eine Omelette in die Pfanne.« Acht Eier, eine Dose Pilze, eine abgepackte Lage Kochschinken, und sieben Minuten später saßen die beiden vor ihren Tellern und schaufelten die Köstlichkeiten in sich hinein.
    »Es geht doch nichts über eine Omelette mitten in der Nacht«, erklärte der Koch mit vollem Mund. Guðni grunzte zustimmend. »Wie kommt ihr denn überhaupt vorwärts, wisst ihr schon, wer die Brücke gesprengt hat? Was für Leute stecken eigentlich hinter der Grünen Armee?«

    Guðni schüttelte den Kopf. »Bestimmt irgendwelche fanatischen Umweltheinis, aber das ist nicht unsere Angelegenheit.«
    »Nee, natürlich nicht.« Der Koch kratzte sich mit seinen dicken, kurzen Fingern an seinem Doppelkinn. Die Nägel waren bis aufs Fleisch heruntergekaut. »Aber die andere Sache? Der Bergsturz? Wisst ihr darüber schon mehr?«
    »Nein, nichts von Belang«, antwortete Guðni unter weiterem Kopfschütteln.
    »Aber einen Unfall schließt ihr aus?«, bohrte der Koch unter so viel Kopfnicken weiter, wie es sein Stiernacken erlaubte.
    Guðni sah hoch und war auf einmal hellwach. »Wie kommst du denn darauf?«
    »Na, tu doch nicht so. Das war doch kein Unfall, das wissen hier alle. Es ist nur die Frage, wer von diesen sogenannten ehrbaren Leuten«, er signalisierte mit den Zeige- und Mittelfingern an beiden Händen die Anführungszeichen, »umgebracht werden sollte. Hier hatten genug Leute allen Grund dazu, etliche von denen umzubringen, wenn du verstehst, was ich meine.« Der Koch unterstrich seine Worte, indem er ein Auge zukniff, sodass es hinter den Tränensäcken, die es umgaben, verschwand. »In meinem Job hört man so das eine oder andere, das kann ich dir sagen.«
    Guðni lehnte sich bequem auf seinem Stuhl zurück. »Erzähl mir mehr«, sagte er und zog die Schachtel mit den Stumpen aus der Brusttasche.
    »Ich hol uns einen Kaffee«, sagte der Koch. »Milch, Zucker?«
    »Etwas Zucker«, antwortete Guðni.
    »Vielleicht auch Cognac?«
    »Unbedingt«, erklärte Guðni grinsend. Er fühlte sich wohl. Sauwohl. Das war ein guter Tag gewesen. Sie waren zwar kaum
vorangekommen, aber er hatte es tatsächlich geschafft, die dämliche Tussi zu einem ordentlichen Streit über das Kraftwerk zu provozieren. Und sie richtig fertiggemacht. Rentiere und Tuffberge und Thymian, wem war das nicht scheißegal?

Weitere Kostenlose Bücher