Blutberg - Kriminalroman
gekommen sein?« Valdimar stand erschrocken auf. Birgir sprang aus dem Bett. »Mich zu besaufen? Zu koksen? Zu fixen? Los, rück schon einfach raus damit, du alter Idiot!« Sein Vater wich zurück und tastete hinter sich nach der Türklinke. »Hättest du Dóri auch so etwas gefragt, wenn es umgekehrt gewesen wäre?«, zischte Birgir mit geballten Fäusten und dem Gesicht dicht vor dem seines Vaters. »Was denn? Hättest du Dóri auch gefragt, ob er gekokst hätte, wenn er es gewesen wäre, der mich aus dem Steinhaufen herausgebuddelt hätte?« Valdimar starrte seinen Sohn mit offenem Mund an, blieb ihm aber die Antwort schuldig. Dann begann seine Unterlippe zu zittern. Nicht viel, aber doch so, dass Birgir es bemerkte und verächtlich den Kopf schüttelte.
»Nein«, sagte er und warf sich wieder aufs Bett. »Den hättest du nicht danach gefragt. Nicht dein Mustersöhnchen, den Herrn Ingenieur! Pah!«
Valdimar ließ die Klinke los und versuchte, seine Haltung wiederzugewinnen. Irgendetwas hatte den Jungen aufgebracht. »Mein lieber Biggi«, sagte er vorsichtig und setzte sich auf einen klapprigen Stuhl neben dem Bett. »Was ist denn eigentlich los?«
»Das willst du doch gar nicht wissen.«
»Hör auf damit, Biggi. Natürlich will ich das wissen. Wie anders sollte ich dir denn helfen können?«
»Und weshalb solltest du mir helfen wollen?«
Valdimar zog die Schultern hoch. »Weil das meine Aufgabe ist. Du bist hier, nicht wahr, und du arbeitest für mich. Trotz allem, was vorausgegangen ist, trotz allem, was du deiner Mutter in all diesen Jahren angetan hast. Du solltest doch allmählich begriffen haben, dass wir alles für dich tun wollen, Biggi. Du bist vielleicht der Ansicht, dass wir euch beide unterschiedlich behandelt haben, aber deine Mutter und ich haben bei Gott alles in unserer Macht Stehende getan, um
euch beide gleichermaßen zu fördern. Vielleicht ist uns das nicht immer gelungen, das kann ich natürlich nicht so recht beurteilen. Ich bin zwar prinzipiell der Meinung, dass jeder seines Glückes Schmied ist, doch deine Mutter hat immer sich selbst - und mir natürlich auch - die Schuld daran gegeben, was für einen Weg du eingeschlagen hast. Jedenfalls zum Teil. Vielleicht hat sie recht damit, was weiß ich. Es war aber zumindest nicht die Schuld von unserem Halldór, darin sind wir uns doch wohl einig. Und deswegen muss jetzt etwas Schlimmes vorgefallen sein, wenn du so über ihn redest, du täuschst mich nicht mit diesem Verhalten, mein lieber Junge. Ich weiß, dass du ihn auch gern hattest.«
»Ich?«, fauchte Birgir. »Dass ich Dóri gern hatte?« Er legte sich wieder lang, deckte sich zu und drehte sich auf die Seite. »Nicht zu fassen, was du auf einmal labern kannst. Ich glaube, ich hör dich zum ersten Mal so lang an einem Stück reden, und zwar totalen Blödsinn. Lass mich schlafen.«
»Was soll denn das, Biggi?«, jammerte Valdimar. »Ich versuche doch nur zu helfen.«
»Ich weiß. Vielen Dank dafür, okay? Geh ins Bett.«
»Was ist los?«
Birgir kapitulierte »Was los ist? Ich will dir sagen, was los ist. Ich glaube, ich weiß, wer da mit dem Erdrutsch umgebracht werden sollte. Wenn es eine Sprengung war, meine ich.«
Valdimar starrte ihn an. »Was meinst du damit, Junge?«
»Ich meine, wenn es ein Mord war, dann war es wahrscheinlich Halldór, der da umgebracht werden sollte. Das ist los. Bist du jetzt zufrieden?«
»Dóri?«
Birgir nickte. »Ja.«
»Unser Dóri? Was zum … Weshalb … Was redest du denn da für einen Blödsinn, Junge?«
»Dóri, ja. Der tüchtige tolle Dóri, der tüchtige patente Halldór. Hast du es nie komisch gefunden, wie patent er war? Wie unwahrscheinlich fit und munter er schon frühmorgens war, obwohl er von morgens früh bis tief in die Nacht malocht hat, und zwar Tag für Tag und Nacht für Nacht?«
Valdimar schüttelte den Kopf. »Ich verstehe dich nicht. Ich verstehe nicht, was du … was du da …«
»Du verstehst es sehr genau.«
»Ich will keinen solchen Quatsch hören.« Valdimar klang nicht mehr ganz so sicher.
Birgir zuckte die Achseln. »Ich weiß. Ich hab dir ja gesagt, dass du es nicht hören willst. Wie wär’s, mir hin und wieder doch einmal zuzuhören?« Er zog sich die Bettdecke über den Kopf und drehte sich wieder zur Wand. »Und mach die Tür hinter dir zu, wenn du gehst.«
Katrín ging im Geiste den Tag noch einmal durch und war einigermaßen zufrieden. Sie hatten zwar bislang noch nichts über die Ursachen des
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