Blutberg - Kriminalroman
das, worüber die Linken dauernd schwadronieren. Und nach dem, was der Koch sagt, sind die Arbeiter ziemlich frustriert wegen dieses Zustands. Und nicht nur er, sondern mindestens drei von denen, mit denen wir gestern sprachen, haben etwas in der Art angedeutet. Darunter auch Lárus.«
Er sah Katrín an. »Erinnerst du dich, als wir ihn nach Drogen gefragt haben? Und Schnaps?« Katrín nickte.
»Genau«, fuhr Guðni fort, »Alkohol ist hier verboten, aber trotzdem gibt’s Schnaps in rauen Mengen. Es ist sogar bekannt, dass zwei von den Leuten, die die Wäsche abholen und bringen, den Fusel für die Leute besorgen, aber unternommen wird nichts. Die Kerle nehmen nämlich auch die Bestellungen von den Bossen entgegen. Ebenso wird davon ausgegangen, dass hier einiges an Rauschgift im Umlauf ist, aber auch dagegen unternimmt man aus denselben Gründen nichts.
Alle wissen, dass die Arbeiter hier tagaus, tagein vor Langeweile, Dunkelheit und Kälte beinahe durchdrehen und beim geringsten Anlass ausrasten. Deswegen mischt sich niemand in diese Dinge ein, solange es keine Probleme gibt. Weshalb das Risiko eingehen, dass hier die Hölle losbricht? Ungefähr das haben uns die Leute gestern gesagt. Und come on , weshalb sollte das nicht auch für die Nutten gelten? Es ist doch viel gescheiter, wenn man den Leuten im Rahmen gewisser Grenzen Schnaps, Dope und Sex gönnt, falls man sie dadurch bei Laune halten kann. Es hat nicht den Anschein, als wäre die
Polizei hier präsent, hier in the middle of nowhere geht es zu wie im Wilden Westen, alle möglichen Subjekte aus aller Herren Länder und keine Polizei. Man tut halt einfach das, was man will, da sich hier normalerweise niemand um irgendwas kümmert. Korrekt?«
»Korrekt«, gab Stefán nach kurzem Zögern zu. »Gehen wir also davon aus, dass Björn Zuhälter gewesen ist. Gehen wir davon aus, dass zwanzig Prostituierte hier ein- und ausgegangen sind, ohne dass jemand eingegriffen hat. Wo aber sind diese Frauen jetzt?«
Guðni hob achselzuckend die Hände. »Wie zum Teufel soll ich das wissen? Wahrscheinlich sind die irgendwo auf ihrem Bauernhof. Björn steckte auch bestimmt nicht allein hinter diesem Business, denn er hat sie wohl kaum selber hin- und herkutschiert, der hatte ja schließlich in seinem Top-Job genug zu tun. Die können also so gesehen überall sein.«
Er hob den Stumpen mit einer ausladenden Bewegung. »Aber nur damit eins klar ist, es war tatsächlich die Rede von Lieferung frei Haus, diese Formulierung stammt nicht von mir. Erotisches Büfett wurde das genannt, chinesische, thailändische, lettische, litauische, russische, polnische und isländische Lolitas zu einem unglaublichen Preis. So lief die Sache.« Guðni strich sich Tabakreste aus den Mundwinkeln. Katrín war speiübel, aber sie konnte ihre Blicke nicht von Guðni abwenden. »Hat da irgendjemand behauptet, die Mafia sei eine absurde Idee?«
Viktor watete gegen den Wind durch die Schneewehen und genoss das Gefühl von beißendem Frost und Schnee an Ohren, Stirn und Nase. Immer noch hatte niemand angerufen, und niemand war zur Krankenstation gekommen. Vielleicht wartete jetzt jemand dort, er wusste, dass es nur eine
Frage der Zeit sein würde. Björn war tot, doch je mehr er darüber nachdachte, desto sicherer war sich Viktor, dass er nicht allein dahintergesteckt haben konnte. Hinzu kam, dass die Damen auch das ein oder andere benötigten, und sie wussten, an wen sie sich wenden konnten. Die Damen, dachte Viktor, und seine Mundwinkel verkrampften sich noch mehr. Wie konnte man ein derartiger Heuchler sein. Sklavinnen war wohl die zutreffendere Bezeichnung. Er hielt einen Augenblick inne und schloss die Augen. Was für ein verfluchter, elender Heuchler er war …
Die Polizei, überlegte er, dieser haarige Bulle da in der Lagerhalle, dieser Bursche durfte nicht herausfinden, worauf er sich in den letzten Monaten eingelassen hatte. Niemand durfte das herausfinden, korrigierte er sich. Seine Ehre stand auf dem Spiel. Die ärztliche Zulassung. Die Ehe. Und vielleicht sogar die Freiheit.
Er öffnete die Augen, spähte in das von Scheinwerfern erhellte Schneetreiben und setzte sich wieder in Bewegung. Es war verlockend, eine weitere Zopiklon zu nehmen. Oder zwei. Vielleicht sogar dreißig? Gab es einen anderen Ausweg aus dieser Hölle? Er sah die Schlagzeilen in der Regenbogenpresse vor sich. Sah den Gesichtsausdruck seiner Frau, während sie die Wahrheit von ihm verlangte. Er sah so ziemlich
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