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Bluterde

Bluterde

Titel: Bluterde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Praxmayer
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Gerüttel. Erschöpfung legte sich wie ein klebriges Spinnennetz über ihn. Nur Wut und Trauer halfen ihm, dagegen anzukämpfen. Femi wollte möglichst schnell zurück nach Bukavu, Gespräche führen mit der Parkaufsichtsbehörde. Sie mussten etwas tun! Er würde ihnen die Videos zeigen, die Bilder sprachen für sich.
    Drei tote Gorillas.
    Immer noch sah er Omari und Joseph vor sich, wie sie den Körper des jungen Kono aus dem Baum zerrten. Zuerst hatten sie das Gorillamännchen übersehen. Er lag nicht wie Milla und Kimbangu auf der Erde, sondern hing leblos zwischen den Ästen. Wie ein Kinderdrachen, der sich unglücklich verfangen hatte.
    Er konnte das Steuer gerade noch rechtzeitig herumreißen, als er die Kinder hinter der Biegung auftauchen sah. Zu dritt schoben sie eine Art Tchukudu, ein selbstgebasteltes Fahrrad aus Holz, wie er es nur aus der Gegend um Goma kannte. Es überraschte ihn, so ein Gefährt hier zu sehen. Langsam fuhr er an ihnen vorbei. Sie transportierten einen alten Plastikkanister mit Wasser. Matale war also nicht mehr weit. Er drehte seinen linken Arm, um einen Blick auf das Ziffernblatt seiner Uhr zu werfen. Es war zwei Uhr. Vor Einbruch der Dunkelheit würde er es nicht mehr bis nach Bukavu schaffen, dafür war er zu spät vom Camp losgekommen. Er würde also in Izege bei Omaris schweigsamem Bruder Unterschlupf suchen müssen. Der Gedanke, seine müden Glieder ausstrecken zu können, beflügelte ihn. Er umfasste das Lenkrad fester und streckte den Rücken durch. Von der Piste aus konnte er Matale nicht sehen, aber er wusste, dass ein ausgetretener Pfad, der auf der rechten Seite auftauchte, zu der kleinen Ansammlung von Hütten führte. Zwei Stunden später stellte er den Landrover abseits der Straße im Gebüsch ab und tarnte ihn mit Zweigen und Gras, so, wie Omari es immer tat. Bisher hatte die Strategie immer funktioniert. Er musste dem Dorfchef Bescheid geben, damit die Männer, die Nachtwache hielten, ein Auge darauf hatten.
    Omaris Bruder begrüßte ihn freundlich und führte ihn zur Gästehütte, die auf der anderen Seite des runden, platt getretenen Dorfplatzes lag.
    »Wie geht’s meinem Bruder?«
    »Ganz gut. Er hat viel Arbeit. Ich soll dich grüßen.«
    »Mhm.«
    Femi war immer wieder einmal erstaunt, wie unterschiedlich die beiden Brüder waren.
    »Hast du Hunger?«
    Femi schüttelte den Kopf.
    »Ich bin hundemüde.«
    »Verstehe.«
    »Ich werde morgen sehr früh aufbrechen. Danke für deine Gastfreundschaft!«
    »Okay. Grüß Omari von mir.«
    Er drehte sich um und ließ Femi vor der Hütte stehen.
    Ihre Mauern bestanden aus einer dicken Schicht getrocknetem Lehm, die kunstvoll auf einem Geflecht aus Zweigen aufgebracht worden war. Das Dach war mit Reet eingedeckt und geschickte Hände hatten aus Schilf eine Türe geflochten. Femi betrat seine Unterkunft und warf seinen Rucksack auf die festgestampfte Erde. Er dachte kurz darüber nach, seine Essensvorräte zu plündern, aber die Müdigkeit war stärker als der Hunger. Er schlurfte hinüber zum Bett, nicht mehr als ein Rahmen aus geschälten Ästen mit einem Bambusgerüst als Liegefläche, und legte seine Waffe neben das Kopfende. Er ließ sich auf die harte Unterlage fallen. Wenn er es morgen erst einmal bis nach Kabare geschafft hatte, dann lag der längste und gefährlichste Teil der Strecke hinter ihm – ein tröstlicher Gedanke. Er lauschte den Vogelstimmen in der Dämmerung. Es waren nur wenige. Femi wusste, dass der Hunger die Dorfbewohner dazu trieb, die Vögel zu fangen. Bei dem Versuch, nicht darüber nachzudenken, schlief er ein.
     
    Von Kabare nach Bukavu war es nur noch ein Katzensprung. Femi entspannte sich und genoss die Vorfreude auf das, was sich ihm in wenigen Minuten bieten würde. Die Hügel um Bukavu, die sanft zum Kivu-See abfielen. Die Wege, die sich in Serpentinen dem funkelnden Wasser entgegen wanden. Die alten Kolonialvillen, die das Seeufer sprenkelten. Die Stadt lag malerisch in einer Bucht am südlichen Ende des Sees. Aus der Distanz betrachtet, war Bukavu eine Schönheit. Auf den ersten Blick sah man ihr nicht an, dass sie schon oft Schauplatz von Krieg und Gewalt gewesen war. Die Fernsicht ließ Armut, Dreck und Kriminalität einfach unter einem sanften Schleier von Nebel, der vom See aufstieg, verschwinden.
    Femi passierte das Krankenhaus und bog von der Route de Katana links in den einzigen Kreisverkehr ein, den Bukavu zu bieten hatte. Er wollte direkt zu seinem Freund Vitale Matete bei der

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