Bluterde
Parkaufsichtsbehörde, dem Institute Congolaise pour le Conservation de la Nature (ICCN). Vitale war dort einer der leitenden Inspektoren der Region und einer der wenigen Menschen, denen er bei der ICCN vertraute. Die Organisation funktionierte zwar wie eine Behörde, wurde aber von der Regierung kaum finanziell unterstützt, was dazu führte, dass Korruption und Ausbeutung des Nationalparks an der Tagesordnung waren. Femi schätzte Vitale sehr, denn er gehörte zu den Männern bei der ICCN, die sich nicht von den Rebellen oder der kongolesischen Armee schmieren ließen. Wegschauen lag ihm nicht und seine Integrität war vielen ein Dorn im Auge.
Femi parkte direkt vor dem ICCN-Büro in der Avenue de Lumumba. Er fand Vitale im hinteren Teil des spärlich eingerichteten Büros, wo er in einem Stapel Papier wühlte. Der Mann mit dem ledernen Gesicht strahlte ihn an.
»Ein seltener Gast!«
Femi streckte ihm die Hand entgegen.
»Hallo Vitale, wie geht es dir?«
»Wenn ich dein Gesicht sehe, vermutlich besser als dir.«
Femi zog wortlos einen Stuhl heran und setzte sich. Er nestelte die Videokamera aus der Seitentasche seines Rucksacks, klappte das Display auf und spulte das Video zurück.
»Ich habe schlechte Nachrichten. Sie haben drei Gorillas in unserem neuen Projektgebiet getötet. Schau dir das an.«
Vitale beugte sich über Femis Schulter und blickte konzentriert auf den winzigen Bildschirm. Als Milla im Bild erschien, sog er laut Luft ein.
»Ich bin noch nicht fertig. Da kommt noch mehr.«
Als die Aufzeichnung beendet war, drehte sich Femi um und sah Vitale direkt ins Gesicht.
»Und?«
Vitales Augen waren hart, auf seiner Oberlippe hatten sich Schweißperlen gebildet.
»Es hat nichts gefehlt?«
»Nein.«
Vitale nickte bedächtig.
»Das habe ich befürchtet.«
»Verdammt, Vitale, wir müssen etwas tun! Wir können nicht zulassen, dass Crocodile drei Gorillas abschlachten lässt.«
»Kapierst du es nicht oder willst du es nicht kapieren, Femi? Das war eine Warnung! Das nächste Mal zielen sie nicht mehr auf die Gorillas, sondern auf euch.«
»Hast du jetzt auch die Hosen voll, Vitale?«
Vitale drehte ihm den Rücken zu und blickte durch das vergitterte Fenster auf die belebte Avenue de Lumumba.
»Ihr müsst euer Projektgebiet verlegen.«
Seine Stimme war ruhig und bestimmt.
»Spinnst du? Du weißt genauso gut wie ich, dass wir die Bestandsaufnahme der Gorillas gerade in diesem Gebiet brauchen. Ich lasse mir nicht von diesen verdammten Hutu-Verbrechern vorschreiben, wo ich meine Forschung zu betreiben habe. Schlimm genug, dass sie unser Land ausplündern und tyrannisieren, aber …«
»Du hast mich nicht verstanden, Femi. Entweder du verlagerst das WPS-Projektgebiet freiwillig oder ich sorge dafür, dass ihr die Genehmigung verliert.«
»Das kann nicht dein Ernst sein!«
»Schlimm genug, dass wir drei Gorillas verloren haben. Ich kann nicht zulassen, dass auch noch Menschen zu Schaden kommen. Und genau das wird passieren, wenn ihr nicht von dort verschwindet. In den letzten Jahren sind hier im Kongo mehr als hundert Ranger ums Leben gekommen. Omari und seine Männer gehören immer noch dem ICCN an. Ich bin für sie genauso verantwortlich wie du!«
»Dann sollten wir sie vielleicht fragen, wie sie selbst darüber denken!«
Femi überragte Vitale um mehr als einen Kopf, doch den Inspektor schien das nicht zu beeindrucken. Er machte einen Schritt auf ihn zu, bis er nur noch wenige Zentimeter von ihm entfernt war, und senkte seine Stimme zu einem gepressten Flüstern.
»Okay. Letzte Chance: Sag Omari, er soll in mein Büro kommen, wenn er wieder in Bukavu ist. Allein! Und bis dahin werdet ihr eure Patrouillen auf ein Minimum reduzieren. Verstanden?«
»Lea, gehst du mit uns essen?«
Dagmars laute Stimme kam vom Flur. Lea blickte kurz hoch.
»Nein, danke.«
Ihre Chefin lehnte sich an den Türrahmen und musterte sie.
»Heute so kurz angebunden? Was ist los mit dir?«
»Nichts. Ich habe einfach nur keinen Hunger.«
»Wir gehen zu deinem Lieblings-Thai. Soll ich dir was mitbringen? Vielleicht einen scharfen Glasnudelsalat?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Aber Chili ist gut gegen alle Arten von Bakterien«, legte ihre Chefin nach. Lea konnte Bodo im Flur auflachen hören. Sie verzog ihre Lippen zu einem Grinsen und schüttelte den Kopf.
»Danke, lass gut sein. Ich habe heute einfach einen schlechten Tag.«
Ihre Chefin zuckte mit den Schultern und machte sich mit den Kollegen auf den
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