Blutfeuer
senden.«
Haderlein hob erstaunt den Kopf. Jetzt kam er nicht mehr mit.
»Tropenmedizin? Wieso denn Tropenmedizin? Ist Bamberg neuerdings auf
einen anderen Breitengrad verlegt worden?«, hakte auch Lagerfeld nach.
Siebenstädter setzte eine anerkennende Mine auf. »Gar nicht so
schlecht, Ihre Vermutung. In gewisser Weise haben Sie sogar recht. Franken ist
zwar nicht in die Tropen gewandert, aber dafür sind die Tropen zu uns gekommen.«
Wieder schwenkte er den Ausdruck mit den undurchsichtigen Zahlenkolonnen über
seinem Kopf hin und her. »Hier, das kam vor einer halben Stunde aus Würzburg
zurück. Auf diesem Ausdruck befindet sich des Rätsels Lösung. Die Würzburger
Analyse ist eindeutig: Es ist Malaria. Sie ist der Grund für den Kollaps der
Blutkörperchen.« Triumphierend ließ er seine Worte nachwirken. Bevor er jedoch
seine vorbereitete Bombe platzen lassen konnte, war jemand anderes schneller.
»Der Sturm!«, rief Haderlein und griff sich an den Kopf. »Der
Hurrikan aus dem Mittelmeer hat die Malariamücken mitgebracht.« Er schüttelte
den Kopf. Diese Welt wurde doch immer verrückter. Eine Tropenkrankheit in
Bamberg!
»Die Anophelesfliege, um ganz genau zu sein«, schob Siebenstädter
jetzt bis in sein Inneres frustriert hinterher. Dieser Kommissar war doch nicht
so einfältig, wie er gehofft hatte. Sowieso kein guter Tag für ihn. Schließlich
war mit der Diagnose der Würzburger auch sein »Morbus Siebenstädter« hinfällig.
»Das darf doch wohl nicht wahr sein, oder?«, schimpfte Lagerfeld
ungläubig. »Und beim nächsten Hochwasser werden bei uns Krokodile angeschwemmt,
oder was?« Haderlein warf ihm sofort einen vernichtenden Blick zu, woraufhin
sein Lamentieren erstarb.
»Und was heißt das? Wie verfahren wir jetzt weiter mit der
Malaria?«, mischte sich nun auch der noch immer verschwitzte Huppendorfer in
die Diskussion ein. »Da müssen wir doch jetzt öffentlich davor warnen, oder
nicht?«
»Ist bereits erledigt«, kam die Antwort von Fidibus, der an der Tür
zu seinem Büro lehnte. »Ich habe das Bundesgesundheitsministerium gerade
informiert. Die Geschichte geht nun ihren politischen Gang und uns nichts mehr
an. Ich nehme an, das Ministerium wird eine allgemeine Malariawarnung für
Nordbayern herausgeben.«
Doch Siebenstädter hatte noch etwas auf dem Herzen und eine
Medikamentenschachtel in der Hand. Er ging auf Lagerfeld zu und steckte ihm die
Packung kommentarlos in die Jackentasche.
»Was ist das?«, fragte der nun offiziell Gedopte misstrauisch.
»Doxycyclin. Ein Medikament zur Malariaprophylaxe. Zwei Stück am
Tag, eine Woche lang. Tun Sie es einfach, Lagerfeld, und Sie haben eine gute
Chance, nicht zu sterben. Ich an Ihrer Stelle würde es mir überlegen, sonst
enden Sie womöglich noch mit orangeroten Augen auf meinem Tisch.«
Lagerfeld wurde blass. Er sagte keinen Ton mehr.
Haderlein hingegen erwachte aus seiner Überlegungsstarre. Die Fakten
waren nun klar, er brauchte einen Plan. Aber dafür benötigte er keine Klausur,
es war ziemlich logisch, wie nun vorgegangen werden musste. »Alle mal
herhören!«, rief er, klatschte in die Hände und ging zurück zu seinem Flipchart
vom gestrigen Tag. »Auch ich bin ein Stück weitergekommen, und zwar, was das
seltsame Verschwinden dieses Zwerges anbelangt.« Gebannt schauten alle Büroinsassen
auf den Hauptkommissar, nur Lagerfeld wusste bereits, was kommen würde.
»Christian Rosenbauer hat Huppendorfer in einem letzten lichten
Moment einen Hinweis hinterlassen, bevor er starb. Gimli und die Minen von
Moria. Jeder, der den ›Herrn der Ringe‹ gelesen oder den Film gesehen hat,
weiß, was uns Rosenbauer damit sagen wollte. Die Lösung des Rätsels liegt
buchstäblich vor unseren Füßen, oder besser gesagt darunter. Dieser Mordfall
wird unter der Erde zu lösen sein, wahrscheinlich sogar sehr tief darunter.
Denn auch Bamberg hat seine Minen. Die alten Katakomben. Ein weitverzweigtes,
uraltes Tunnel- und Höhlensystem im Sandstein unserer Stadt der sieben Hügel.
Hineingehauen von den Bambergern in Hunderten von Jahren. Doch einen
Unterschied zum ›Herrn der Ringe‹ gibt es. Pechmann und Konsorten haben dort
unten kein Zwergensilber gehortet, nein, sie stellen etwas viel Besseres her.
Ihr ›Mithril‹ heißt ›Yellowstone‹. Ein Goldesel, ein Geldscheißer, wie sie
glauben. Und vor allem sind sie der festen Überzeugung, dass wir nie
dahinterkommen, wo sie sich verstecken. Sie denken, sie könnten einfach mit
ihrem
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