Blutfeuer
wollen richtig machen.
Gimli nicht böse. Gimli Freund.« Mit diesen Worten endeten seine verzweifelten
Ausführungen, und Theresa Rosenbauer kam ohne Hemmungen aus ihrem Bett
gesprungen und warf sich dem Zwerg an den Hals. Der ließ sich das mit einem
Ausdruck der absoluten Traurigkeit in den feuchten Augen willenlos gefallen
Der Arm mit dem Messer hing noch immer schlaff nach unten, die Tür
stand halb offen, und fast war Gerlinde Rosenbauer versucht, die Gunst der
Stunde zur Flucht zu nutzen. Doch sie wusste genau, dass Gimli sie nach wenigen
Metern eingeholt hätte. Und dann wäre jeglicher Kredit bei ihm verspielt. Für
immer. Außerdem tat ihr der Zwerg leid. Was für ein trauriger kleiner Kerl.
Niemand hier hatte eine Ahnung, woher er kam oder was er überhaupt für eine
Aufgabe hier unten hatte. Gerlinde Rosenbauer wusste nur, dass sie diesen Gnom
schon immer irgendwie drollig gefunden und er sich auf Anhieb gut mit Theresa
verstanden hatte. Seit sie Theresa mit der schwarzen Firmenlimousine von der
Schule abgeholt und ihre Entführung vorgetäuscht hatte, war Gimli oft bei ihrer
Tochter gewesen. Bei beiden hatte das wohl einen bleibenden Eindruck
hinterlassen.
Gerlinde Rosenbauer zog Theresa behutsam von dem Zwerg weg, dann
sagte sie mit sehr ernster Stimme: »Gimli, du musst mir etwas versprechen.« Sie
schaute ihn an, doch er stand nur reglos da. »Gimli, ich habe einen großen
Fehler gemacht. Einen sehr großen. Da draußen sind böse Menschen, Gimli. Du
weißt, dass sie böse sind, und ich weiß, dass du gehorchen musst, mein kleiner
Freund, aber vielleicht wird irgendwann der Moment kommen, in dem du dich entscheiden
musst zwischen dem Befolgen ihrer Anweisungen und dem Guten.«
Vorsichtig nahm sie die Hand des Zwerges und legte sie in die ihre.
»Ich möchte dich nur um eines bitten. Pass auf Theresa auf. Egal, was hier
alles noch passiert, und egal, was diese Männer dort draußen dir befehlen, pass
auf Theresa auf, Gimli. Versprichst du mir das?«
Ihre Hand hatte die des Zwerges fest gepackt und schüttelte sie
jetzt. Gimli wirkte, als würde er aus einem Traum erwachen. Er trat einen
Schritt zurück. Waren das Tränen, die Gerlinde Rosenbauer da in seinen Augen
entdeckte? Theresa hatte ihr braunes Pferd in den Arm genommen und blickte
unschlüssig zwischen ihrer Mutter und dem Zwerg hin und her. Warum sollte Gimli
auf sie aufpassen? Dafür war doch jetzt wieder ihre Mutter zuständig. Dann
drehte sich der Zwerg plötzlich um und verschwand durch die Tür. Als die sich
lautlos hinter ihm schloss, sank Gerlinde Rosenbauer auf ihre Knie und vergrub
ihr Gesicht stöhnend in den Händen.
Lagerfeld war wie üblich fast der Letzte, der am Morgen in der
Dienststelle eintraf. Nur Manuela Rast und die Riemenschneiderin fehlten noch.
Alle waren bereits heftig am Diskutieren und Sondieren der neuen
Lage. Haderlein hatte auch Fidibus dazugebeten, schließlich würde er von ihm
noch die eine oder andere Genehmigung benötigen.
»Also, Herrschaften«, sagte der Hauptkommissar, »jetzt wird es
ernst. Ich werde gleich interessante Neuigkeiten verkünden, und wenn auch
anderen neue Erkenntnisse vorliegen, dann möchte ich diejenigen jetzt bitten,
uns sofort davon zu unterrichten.«
Vincent Lacroix hob den Finger. »Nun, ich glaube, wir von der
medizinischen Nachtschicht können etwas zum Fortschritt der Erkenntnisse
beitragen.«
Alle Augen richteten sich gespannt auf den kugeligen Schweizer, der
auf seinem Stuhl wirkte wie ein gut gelaunter, schwatzender Gymnastikball.
»Wir haben heute Nacht herausgefunden, was ›Yellowstone‹ ist und
worin seine wertvollen Eigenschaften liegen. Aber statt eine umständliche
wissenschaftliche Erklärung abzugeben, habe ich mir eine kleine Vorführung
ausgedacht. Wenn ich die Herren Schmitt und Huppendorfer zu
Demonstrationszwecken zu mir bitten dürfte?« Huppendorfer und Lagerfeld
schauten sich zweifelnd an, kamen aber der Aufforderung nach.
Lacroix fuhr fort. »Wenn ich richtig verstanden habe, dann sind Sie,
Herr Huppendorfer, hier die Sportskanone, oder?«
Huppendorfer lächelte schief. Es war allgemein bekannt, dass er bei
den Sportabzeichen alle vom Revier in die Tasche steckte.
Lacroix zeigte nun auf Lagerfeld. »Und dieser junge Mann hier muss
das genaue Gegenteil davon sein, was ich so gehört habe, nicht wahr?« Alle in
der morgendlichen Runde lachten auf. Lagerfeld inklusive, da machte er sich
keine Illusionen. Die Sportprüfung bestand er immer nur mit
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