Blutfeuer
entgangen.
Gimli saß in dem hell erleuchteten weißen Raum. Seine Beine
schwebten in der Luft, denn der Stuhl des Konferenzzimmers war wie üblich für
normale erwachsene Menschen gebaut worden. Vor ihm auf dem Tisch stand eine Art
Dose mit einem roten Knopf und einem Metallstift.
»Es ist ganz einfach, Gimli«, sagte Leonhard Pechmann, der am
anderen Ende des langen Tisches gerade an seinem Bier schnupperte. Der optische
Gegensatz zwischen den beiden Männern hätte nicht größer sein können. Der zwei
Meter große Exbasketballer auf der einen Seite und der in seiner grauen Kutte
altertümlich wirkende Kleinwüchsige auf der anderen.
»Du stellst die Dose in das Zimmer, ziehst den Splint, drückst den
Knopf, und dann gibt’s eine Überraschung. Ganz einfach. Das schafft sogar so
ein einfältiger Holzkopf wie du.« Er lachte schrill über seinen eigenen Witz.
Gimli wusste nicht so recht, was er von der Dose halten sollte.
Pechmann hatte ihm zwar erklärt, sie wäre ein Spielzeug, so ähnlich wie ein
Tischfeuerwerk, aber irgendwie hatte ihn ein ungutes Gefühl bei der Sache
beschlichen. Er hatte so eine Dose schon einmal irgendwo gesehen, doch die
Erinnerung war tief unten in seinem Gedächtniskeller verborgen. Er kam an sie
nicht mehr heran.
»Hallo, Gimli, jemand zu Hause?« Pechmann schnippte mit den Fingern.
Der Zwerg schreckte aus seinen Gedanken auf. »Ach Gott, passt irgendetwas
nicht? Was ist, Gimli? Hat jemand von deinem Tellerchen gegessen? Hat jemand
dein Gäbelchen berührt?« Pechmann brach wieder in schallendes Gelächter aus,
dann wurde er urplötzlich streng und laut. »Schluss mit dem Blödsinn, Gimli. Du
machst jetzt, was ich dir gesagt habe, verstanden?« Der Kleinwüchsige zuckte
zusammen und rutschte erschrocken von seinem Stuhl.
»Gimli machen«, stieß er erschrocken aus, nahm die Dose und wackelte
so schnell er konnte aus dem Raum. Er ging den langen, schwach beleuchteten
Tunnel entlang, bis er die Fabrik erreichte. Die Menschen mit der fremden
Sprache schnatterten in einem fort. Offensichtlich waren sie in großer Eile und
damit beschäftigt, die gelben Tabletten, die sie in monatelanger Arbeit
hergestellt hatten, in Plastikbeutel zu verschweißen. Andere wiederum steckten
die Beutel in einen großen Pappkarton, auf dem in grüner Schrift »Blumendünger«
geschrieben stand. Niemand beachtete ihn, als er die große Halle durchquerte
und an den konzentriert arbeitenden Fremden vorbeiging. Vor ihm lag eine
Aufgabe, die er zu erledigen hatte.
Die strenge Stimme des Herrn hatte sämtliche Zweifel aus seinem
Bewusstsein vertrieben. Er würde zu Theresa und ihrer Mutter gehen und dort den
Knopf des Spielzeugs drücken und den Stift ziehen. Ihm war egal, ob es ein
lustiges Feuerwerk geben würde oder nicht. Alles, was er wollte, war, keinen
Ärger zu bekommen.
Haderlein legte den Telefonhörer auf und überlegte kurz. »Manuela,
du bleibst bitte mit der Riemenschneiderin hier und wartest, bis ich
wiederkomme. Ich muss noch einmal schnell nach St. Getreu, irgendetwas scheint
da im Busch zu sein. Außerdem ist es Zeit, diesem Waldmüller noch einmal auf
den Zahn zu fühlen.«
Manuela Rast schaute ihrem Kommissar ins Gesicht und spürte seine
Anspannung. Während sie Riemenschneider streichelte, fragte sie ihn vorsichtig:
»Jetzt wird’s langsam ernst, oder?«
Haderlein nickte gequält »Ja, jetzt wird’s langsam ernst. Aber so
ist das manchmal in diesem Job.« Er zuckte fast hilflos mit seinen Schultern,
als er seine Jacke nahm.
»Pass auf dich auf«, sagte sie leise und bedachte ihn mit einem
warmen Blick.
Er lächelte ihr dankbar zu und winkte dann Lagerfeld zu sich.
Der Beamte des Untersuchungsgefängnisses tastete den Anwalt von oben
bis unten hin ab. Selbst die Aktentasche des Juristen wurde durch einen
Spezialscanner gezogen. »Das sind die Medikamente, die ich ihm bringen soll«,
meinte der Bärtige und hielt eine Schachtel mit dem dazugehörigen Rezept in die
Höhe.
»In Ordnung«, sagte der Beamte und führte ihn zu der Zelle Nummer 9.
Er hob kurz die Klappe des kleinen Sichtfensters in der massiven
Tür, dann meinte er mit einem schiefen Grinsen: »Der Gesalbte schläft schon
wieder. Ich glaube, Sie müssen ihn erst wecken. Der verschläft sogar seinen
eigenen Weltuntergang, wenn er nicht aufpasst.« Dann öffnete er die Tür.
»Einfach klopfen, wenn Sie wieder rauswollen, ich bin gleich um die Ecke.«
Damit schloss er die Zelle.
Daniel Brosst öffnete verschlafen die
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