Blutfeuer
schwebte. Mit frustrierter Miene setzte sich Bernd Schmitt alias Lagerfeld
auf die Motorhaube des MINI Cabriolets und beschloss, bis auf Weiteres das Reden einzustellen. Er wollte
nur noch ins Bett. Und zwar allein.
Manuela Rast blickte kurz und prüfend ihrem Kommissar ins Gesicht,
dann bückte sie sich zur Riemenschneiderin hinunter und hob nun ihrerseits mit
skeptischem Blick den Kopf des Ferkels an.
»Stimmt das, haben die beiden Spinner einen Test mit dir gemacht?«,
fragte sie das kleine Schwein ungläubig.
Riemenschneiders Schwänzchen begann bejahend zu wackeln.
»Wir wollten wissen, wie gut ihre Nase wirklich ist, und haben sie
Sachen suchen lassen«, bemerkte Haderlein erklärend von der Seite.
»Und lass mich raten«, fragte Manuela Rast bereits wieder lächelnd,
»du hast ihn bestanden? Du hast alles gefunden, was die Kriminalpolizei vor dir
versteckt hat, oder?«
Riemenschneiders Ohren stellten sich zustimmend auf, und sie begann
stolz zu grunzen. Außerdem beeilte sie sich, mit ihrer rosa Zunge Manuela Rasts
Gesicht zu befeuchten.
»Auch die Unterhosen von Kommissar Lagerfeld?«, fragte Ute von
Heesen sicherheitshalber. Nicht, dass sie diesen Gedanken ernsthaft in Erwägung
gezogen hätte, aber bei ihrem etikettefreien Typen konnte man ja nie wissen.
Die Reaktion von Riemenschneider war ernüchternd.
Schlagartig stellte das kleine Schwein das Lecken ein, die Ohren
fielen wie nasse Badetücher nach unten, und der rosa Schwanz verzog sich unter
die Hinterbeinchen. Der angewiderte Gesichtsausdruck des Ferkels sprach Bände.
Dafür war’s dann aber auch endlich vorbei mit der miesen Stimmung.
Alle brachen in schallendes Gelächter aus, und der Beziehungsfrieden
war wiederhergestellt. Einzig der schmollende Lagerfeld bekam von seiner Ute
noch schnell einen missbilligenden Klaps auf den Hinterkopf.
Dann, nach Klärung der kurzzeitigen Schlechtwetterlage, folgte die
lange und intensive Abschiedszeremonie, in die schlussendlich auch
Riemenschneider mit einbezogen wurde.
»Pass bloß auf die beiden Figuren auf, solange wir weg sind«, sagte
Ute von Heesen noch schnell zu ihr, bevor sie das kleine rosa Ding wieder auf
den Boden stellte, dann verschwanden die zwei durchtrainierten Kommissarfrauen
in ihrem knallroten MINI und
fuhren in Richtung Oberstdorf zu ihrer lange geplanten Alpenüberquerung mit dem
Mountainbike. Zwei Kriminalisten und ein minderjähriges Schwein sahen das
vollbepackte Auto in der Ferne entschwinden.
»Tja«, sagte Haderlein, »zwei Wochen sturmfreie Bude. Endlich mal
frauenfreie Zeit.«
Lagerfeld lachte, dann sahen sich beide an und wussten, dass sie die
Kratzbürsten eigentlich schon jetzt vermissten.
Lagerfeld verabschiedete sich, Haderlein nahm Riemenschneider auf
seinen Arm, sagte fürsorglich: »Jetzt geht’s ins Bett, Süße«, und zusammen
machten sie sich endgültig auf den Heimweg in die Judenstraße 4.
*
Die Gefahr Sturm lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Gemessen an der Häufigkeit von Schadensereignissen, an der
Gesamtfläche der betroffenen Gebiete und an der Höhe der Schäden, sind Stürme
die weltweit bedeutendste Naturgefahr.
Als große Sturmkatastrophen gelten jene, welche die
Selbsthilfefähigkeiten der betroffenen Regionen deutlich übersteigen und
überregionale oder internationale Hilfe nötig machen.
Noch steht der endgültige wissenschaftliche Nachweis dafür aus,
dass sich das Windklima in Europa verändert. Doch Indizien weisen darauf hin.
Die Sturmgefahr wird in Zukunft zunehmen.
(Ernst Rauch, Wetterkatastrophen und Klimawandel, Münchener Rück)
Die Wolkenformationen hatten wahrlich bedrohliche Ausmaße
angenommen. Stavros schaute besorgt in den Himmel, dann zu seinem Vater, der
immer drängender auf ihn einredete.
»Das sieht nicht gut aus, Sohn«, sagte er mit deutlich warnendem
Unterton in der Stimme. »Zeit zu verschwinden.«
»Aber wir haben doch noch nicht einmal angefangen«, versuchte
Stavros schwach einen letzten Protest und nestelte unschlüssig an seinem
Fischernetz. Doch auch sein Blick verriet Unsicherheit ob der sich drastisch
verschlechternden Wetterlage.
»Das mag sein«, erwiderte sein bald siebzigjähriger Vater und
blickte noch einmal über das Mittelmeer Richtung der kretischen Küste. Seine
grauen Augen musterten wieder den Horizont, und wieder gefiel ihm überhaupt
nicht, was er da am Himmel des östlichen Mittelmeeres erblickte. Eigentlich war
von besagtem Himmel auch nicht mehr viel zu sehen. In der
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