Fahrt ohne Ende
WAS DER VERFASSER NOCH ÜBER DIE FOTOS UND ZU DEN LESERN DIESES BUCHES SAGEN MÖCHTE
Es war nicht ganz einfach, dieses Buch mit Fotos zu illustrieren. Eigentlich wollten wir nur Fotos aus der illegalen Zeit verwenden, und dann alle genau zum Text passend. Aber da fehlten uns viele Fotos, weil die Gestapo oder auch der Krieg sie vernichtet hatten, andere wieder waren nicht für eine Druckwiedergabe geeignet. Wer denkt denn auch, wenn er irgendwo auf Fahrt mal ein Foto macht, gleich daran, daß es einmal in einem Buche wiedergegeben werden soll! Andererseits aber wollten wir ja richtige Jungenfotos aus, den Jungengruppen selbst bringen und nicht solche, die irgendwelche Berufsfotografen mal mit allen Raffinessen gestellt und aufgenommen haben. Und so kommt es, daß ein paar Fotos in diesem Buch fehlen, die wir gern darin gehabt hätten; vom Stockfechten etwa oder vom Trampen. So kommt es auch, daß einige unserer Fotos aus den Nachkriegsjahren stammen. Die Mehrzahl aber stammt tatsächlich aus der Verbotszeit während der NS.-Jahre: aus einer illegalen Jungenschaftshorte des Ruhrgebiets und aus anderen illegalen Gruppen. Diese Fotos haben meist eine richtige und oft recht bewegte Geschichte, manche sind nur durch einen Zufall bei der Verhaftung ihres Urhebers der Gestapo entgangen. Da ist zum Beispiel das Foto mit dem Jungen am Gipfelkreuz. Das hat man dem Jungen, der es aufgenommen hat, sehr übel genommen bei der Gestapo. Es hing damals auf den Stuben aller Jungen seiner Horte, und die Gestapo behauptete — argwöhnisch, wie sie war —, dieses Foto solle ein Symbol sein: die hündische Jugend durch HJ. und Nazis ans Kreuz geschlagen. »Wir waren sehr stolz auf diese Definition der Gestapo«, meint der damalige Hortenführer dazu.
Und nun wollen wir nicht mehr viel sagen zu den Fotos. Wir wollen sie selbst sprechen lassen.
Wir wollen sie sprechen lassen für das ewig neue und herrliche Leben deutscher Fahrtenjugend. Jungen auf Bergfahrt — Jungen beim Kochen, beim Baden, beim Bogenschießen — singende Jungen — Skijungen — Kothenjungen — und immer: Fahrtenjungen! Irgend etwas hat sie gerufen: in die Weite, in die Freiheit, auf Fahrt! In einen Dienst, den sie sich selbst wählen. In eine Jungenhorte, in der sie mehr miteinander verbindet als die Zugehörigkeit zu dem oder jenem Verein.
Sie lassen sich nicht treiben vom großen Strom. Sie verharren nicht müde oder satt in irgendeinem Winkel. Sie gehen ihren eigenen Weg. Sie sind — auf Fahrt. Und ihr Ziel liegt noch weit jenseits der Wälder, Berge und Seen, an denen ihre Kothen stehen. Weit jenseits der Wolken, in die sie ihre Pfeile richten.
Und manchmal wissen die Jungen: die Fahrt zu diesen Zielen wird nie zu Ende sein. Dann wissen sie, daß diese Fahrt ein ganzes Leben lang dauern wird. Nicht, als ob sie nun immer weiter »auf Fahrt« gehen könnten. Aber wenn sie sich selbst treu bleiben, werden sie immer »unterwegs« sein. Unterwegs zu Zielen, die sich recht oft nur scheinbar von denen unterscheiden, zu denen sie in ihren Knabenträumen einst unterwegs waren. Im Grunde sind es die gleichen Ziele — wenn sie selbst die gleichen geblieben sind.
Denn wenn wir es recht verstehen, dann ist unser ganzes Leben hier auf unserer Erde nur eine einzige große Fahrt. Eine Fahrt ohne Ende. Manche Leute freilich bleiben auf halbem Wege stehen. Sie meinen zu früh, nun zu Haus zu sein und die große Fahrt hinter sich zu haben. Und deshalb werden sie nie wirklich nach Haus finden.
Wir aber sind auf Fahrt!
Junge Kameraden,
seid bereit!
Lang ist die Straße,
die wir noch marschieren müssen.
Weit ist der Weg,
der noch vor uns liegt.
Junge Kameraden,
seid bereit!
Keiner, der fragte,
jeder liebt die graue Fahne,
jeder Kornett
und auch der jüngste Mann.
Junge Kameraden,
seid bereit!
Heimliche Fahne
wehet über uns allen;
heiß ist die Glut,
die noch in uns brennt.
1. Kapitel
»DU TRAUST DICH NICHT«
GROSSE PAUSE auf dem Schulhof des Gymnasiums in L.
Ein wenig abseits vom allgemeinen Getriebe stehen die Jungen der Quinta A, das ist immer verdächtig... Und tatsächlich, man führt etwas im Schilde.
»Mann, das wär‘ ‘ne dolle Sache, wenn das einer schaffte«, sagt Kurti, »der Kauz ist aber auch zu blöd. Wenn ich noch daran denke, wie er eben den Bleistift suchte, den er doch selbst in der Hand hatte...«
Und die ganze Quinta A lacht unbändig darüber, wie Kurti den Kauz imitiert, ihren ein bißchen sehr zerstreuten und
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