Blutflecken (Ein Lucy-Guardino-Thriller) (German Edition)
zuletzt gesehen wurde, als sie sich von ihrem Haus entfernte, in Begleitung eines größeren Jungen, blonde Haare, gekrümmte Haltung. Nichts weiter. Niemand hat ihn genauer gesehen oder beobachtet, wohin die beiden gegangen sind.«
Groß, blonde Haare, gekrümmte Haltung.
»Caine, der Hurensohn.« Also waren er und das Mädchen Komplizen? Aber er war damals erst zwölf gewesen. Sollte er sie wirklich entführt haben?
»Den ganzen Weg aus Kansas? Es muss einen Erwachsenen geben, der dahintersteckt.«
»Ist das eine Frage oder eine Aussage?«
»Kam bei der anderen Hintergrundüberprüfung, um die ich dich gebeten hatte, etwas heraus? Colleen Brady?«
»Sie hat vor fast sieben Jahren eine Anzeige wegen Überfalls gemacht. Der Fall wurde als unbegründet abgeschlossen.«
Vor sieben Jahren? Und Marty Brady war sechs. Auch das – Zufall?
»Was für ein Überfall soll das gewesen sein? Wo fand er statt? Wer waren die Verdächtigen?«
»Tut mir leid. Da steht nur, dass es unbegründet war. Die Zeugin, die die Anzeige gemacht hat, sei emotional instabil.«
»Was zum Teufel ist das denn für ein Bericht?«
»Militärpolizei. Fort Rucker, Alabama. Kann nichts weiter zu dem Fall finden. Entweder haben sie ihn fallen lassen oder die Akte vernichtet, bevor die Ermittlungen überhaupt begonnen wurden. Keine Ahnung. Das kann dir nur jemand von der Armee sagen. Und du weißt ja, wie gerne die ihre Karten auf den Tisch legen.«
Überfall. Zu vage. Das konnte ein versuchter Raubüberfall gewesen sein. Vielleicht war ein betrunkener Soldat etwas zu liebesbedürftig gewesen. Oder eine andere Soldatenehefrau hatte sich über irgendetwas geärgert und wollte sich rächen. Verflucht noch mal. Wer konnte da Genaueres wissen? Nur eine einzige Person.
»Danke, Taylor. Ruf mich an, wenn du noch etwas über das Ames-Mädchen herausfindest.«
»Klar. Aber …« Er zögerte kurz. »Sollten wir nicht die Familie kontaktieren und ihnen sagen, dass wir sie gefunden haben? Die warten seit zwei Jahren.«
»Noch nicht. Nicht, bevor wir sie wirklich haben.«
»Du glaubst nicht wirklich, dass sie den Hilfssheriff getötet hat, oder? So ein schmales Ding. Sie sieht so, na ja, süß und unschuldig aus.«
Jenna schüttelte den Kopf. Sie mochte der Neuling im Team sein, aber sie war verdammt noch mal nicht naiv.
»Ruf mich einfach an. Danke.«
Sie steckte ihr Telefon ein und spähte ins Wohnzimmer. Lucy und Colleen saßen noch immer eng beieinander auf der Couch, dampfende Teetassen standen auf dem Beistelltisch. Mist, das würde nicht einfach werden. Vielleicht sollte sie Lucy die Führung überlassen? Das letzte Mal, als sie Lucy die Führung überlassen hatte, war allerdings ein Polizist ums Leben gekommen. Sie ging ins Wohnzimmer und setzte sich in einen Ledersessel.
»Mrs Brady, man hat uns noch nicht vorgestellt. Ich bin Sonderermittlerin Galloway. Ich arbeite mit Spezialagentin Guardino zusammen.«
Lucy warf ihr einen warnenden Blick zu. Vorsichtig sein.
»Ma’am«, fuhr Jenna fort und versuchte, ihre Stimme ruhig und harmlos klingen zu lassen, »könnten Sie mir vielleicht etwas über einen Überfall erzählen, den sie vor sieben Jahren in Fort Rucker in Alabama zur Anzeige gebracht haben?«
Colleen rang weder nach Luft noch fiel sie in Ohnmacht oder irgendetwas dergleichen. Sie schien sich einfach aufzulösen. Ihr Körper erstarrte, jeglicher Ausdruck wich aus ihrem Gesicht. Lucy beugte sich nach vorn und legte eine Hand auf Colleens Knie.
»Was ist los, Colleen?«
Es dauerte einen Moment, bis Colleens Blick zu ihnen zurückkehrte. Ein Schaudern ließ ihren ganzen Körper erbeben.
»Ich hatte gehofft, ich müsste nie wieder an diesen Abend denken.«
»Was ist passiert?«
»Ich war beim Einkaufen gewesen. Außerhalb des Stützpunktes. Ich musste über einen Nagel oder etwas Ähnliches gefahren sein, denn auf dem Rückweg, als ich gerade am Tholocco-See vorbeifuhr, hatte ich einen Platten. Es war dunkel, Fort Rucker liegt mitten im Nichts. Ich hatte keinen Empfang auf meinem Mobiltelefon, also machte ich mich daran, den Reifen allein zu wechseln, als dieser Postlaster neben mir auftauchte.«
»Ein Kleintransporter?«, hakte Jenna nach.
»Nein, nein. Ein richtiger Laster. Auf dem Anhänger stand US-Post. Der Fahrer sagte, er sei auf dem Weg nach Rucker und könne mich gerne bis ans Tor des Stützpunktes mitnehmen. Oder er könne jemanden schicken, um mir zu helfen. Er bot sogar an, den Reifen zu wechseln, aber ich
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