Blutflecken (Ein Lucy-Guardino-Thriller) (German Edition)
und ein paar kleinere Gefäße, die zur Aufbewahrung von Käse und anderen, ebenfalls leicht verderblichen Nahrungsmitteln bestimmt waren. Die Luft war trockener, als Jenna erwartet hatte, und kühl. Es war, als habe man an einem heißen Sommertag den Kühlschrank geöffnet. Das kleine Rinnsal aus Schweiß, das ihr den Rücken hinunterlief, als sie durch das Tor ging, konnte also nicht an der sie umgebenden Temperatur liegen. Das schwache Licht der Lampen zeigte ihr den Weg, den Bob genommen hatte. Obwohl ihre Handflächen, in denen sie die beiden großen Taschenlampen hielt, feucht wurden, wagte sie sich weiter in die Höhle vor. An der Stelle, an der die Schatten Bob verschluckt hatten, blieb sie vor einer Wand aus Felsgestein stehen und reckte den Hals. Die Decke, ebenfalls aus Felsgestein, war hier gute drei Meter hoch. Jenna spürte, wie das Gewicht des Berges auf sie niederdrückte. Sie musste sich jeden Atemzug abringen. Sie klemmte eine der Taschenlampen unter die Armbeuge und fuhr mit den Fingern über die raue Oberfläche des Felsens. Obwohl er trocken aussah, war der Fels feucht.
»Kalkstein.« Sie fuhr erschrocken zusammen, als Bob hinter ihr auftauchte und ihr eine der Taschenlampen abnahm. »Deshalb entstehen die Stalaktiten und Stalagmiten – ich kann die beiden Begriffe nie auseinanderhalten. Jedenfalls meine ich die, die herunterhängen. Das, was von ihnen heruntertropft, sieht aus wie Milch, ist aber in Wirklichkeit von der Säure im Wasser aufgelöster Fels.«
Er schien sich hier drinnen so verdammt wohl zu fühlen. Als gäbe es über ihnen nicht tonnenweise Fels, der sie jederzeit unter sich begraben könnte.
»Ich bin nicht für Naturkundeunterricht hier«, blaffte sie ihn an. »Wo ist der Tatort?«
Mit einer Fingerspitze schob Bob den Hut nach oben und zeigte dann in die Richtung, aus der er gekommen war. »Hier entlang.«
Sie folgte ihm. Er hatte die beiden Lampen im Abstand von einigen Metern aufgehängt, aber danach herrschte absolute Finsternis. Sie beschleunigte ihren Gang, um Bob einzuholen, und berührte ihn dann kurz am Ellenbogen.
»Tut mir leid, dass ich so schnippisch war. Ich war noch nie in einer Höhle. Müssen wir uns vor Fledermäusen in Acht nehmen? Die können Tollwut haben, oder?«
Sie hörte ihn glucksen, sah aber wegen der Dunkelheit sein Gesicht nicht. »Fledermäuse gibt es hier keine mehr. Das Weißnasensyndrom hat die meisten dahingerafft. Und ja, sie können Tollwut haben. Mein kleiner Bruder bekam damals sogar prophylaktische Spritzen, nachdem sich eine in sein Zimmer verirrt hatte.«
Das Echo seiner Stimme hallte von den Wänden. Jenna leuchtete mit der Taschenlampe nach oben, aber sie konnte keine Decke mehr ausmachen, lediglich Schwärze, durchbrochen nur hier und dort von einem aufschimmernden Tropfstein. Voller Ehrfurcht begutachtete sie die Dunkelheit. Auch Bob richtete seine Taschenlampe nach oben.
»Schon toll, oder? Und all das ist weder von Menschenhand noch durch Wissenschaft oder irgendein technisches Gerät entstanden.« Er dämpfte seine Stimme, als sei er in der Kirche, und nahm Jenna bei der Hand. »Bleiben Sie nah bei mir. Es gibt hier Spalten im Boden, aber die bemerkt man erst, wenn es zu spät ist.«
Jenna fiel ein, dass man nie auch nur eine einzige Leiche gefunden hatte, und schüttelte sich bei dem Gedanken. Sie hatte das nie wirklich glauben können. Erst jetzt, da sie sich selbst tief im Berginneren befand und nach oben starrte. Sie löste ihre Hand nicht aus Bobs Griff. Sie wünschte nur, sie wäre nicht so klamm vor Schweiß. Bob führte sie weiter durch die Finsternis. Jenna war froh über seine Anwesenheit. Selbst mit den leistungsstarken Taschenlampen, die extra für Such- und Rettungsaktionen bestimmt waren, würde sie niemals ihren Weg zurück nach draußen finden. Plötzlich hielt er an.
»Okay. Das hier ist der erste Eingang. Der, durch den Lucy und der Caine-Junge kamen.«
Sie sollten gerade einmal einen knappen Kilometer zurückgelegt haben? Jenna kam es vor, als seien sie zehnmal so weit gegangen. Bob führte sie durch einen engen Gang mit hoher Decke, der in eine größere Kammer mündete. Sie leuchtete mit der Taschenlampe umher. An den Wänden und am Boden waren an diversen Stellen Metallringe befestigt worden. Jenna stand nur einen guten Meter entfernt von dem dunklen Fleck, den Lucys Blut auf dem hellen Kalkstein hinterlassen hatte. Die Decke, die an einer Stelle so niedrig war, dass man nur knien konnte, schwang
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