Blutflecken (Ein Lucy-Guardino-Thriller) (German Edition)
fragte Jenna: »Und niemand hat jemals auch nur eine Idee gehabt, um wen es sich bei dem Mörder gehandelt haben könnte?« Sie hielt es noch immer für möglich, dass es einen Komplizen gegeben haben könnte. Einen Mörder, der noch am Leben war.
Bob zögerte mit der Antwort. Mit einem Finger schob er wieder den Hut zurück und warf dabei einen Schatten an die Felswand, der aussah, als würde ein Kobold ein ekliges Mahl verschlingen.
»Nein. Nur ein Mann, der in dieser Gegend gesehen wurde, gilt derzeit als vermisst.«
»Und um wen handelt es sich?«
Jenna und Bob verließen die Höhle, in der die beiden Frauen gefangen gehalten worden waren.
»Um den Studenten von der Penn-State-Universität, mit dem Rachel Strohmeyer angeblich durchgebrannt war. Er wurde ein paar Tage vor ihrem Verschwinden als vermisst gemeldet.«
»Passen seine Fingerabdrücke zu denen im Lieferwagen?«
Wenn dem so wäre, könnte man DNA-Spuren finden und überprüfen, ob diese zu den Spuren passten, die man bei den vergewaltigten Frauen sichergestellt hatte … Aber darauf waren Lucy und die anderen Ermittler vor vier Jahren allerdings wohl selbst gekommen.
»Lassen Sie mich raten, sie passen nicht.«
»Sie passen nicht, genau. Man fand seine Campingausrüstung unten in Georgia, in der Nähe des Appalachian Trails. Seinen Freunden hatte er gesagt, dass er im Frühling dort wandern gehen wollte. Die Freunde dachten, dass er nach der Trennung von Rachel früher losgefahren sei. Sie bekamen sogar Postkarten von ihm.«
»Vor oder nach Rachels Verschwinden?«
»Zwei Wochen später. Drei Tage, bevor man sie fand. Seine Fingerabdrücke wurden offiziell auf den Postkarten sichergestellt.«
Das schien ja alles verdammt gut zusammenzupassen. Aber es klang auch sehr plausibel. Collegestudenten machten oft verrückte Sachen.
»Und seitdem hat man nichts mehr von ihm gehört?«
»Nein. Aber im Zuge des ganzen Dramas, das sich hier abspielte, hat außer seinen Angehörigen wohl kaum jemand nach ihm gesucht. Der Appalachian Trail … Das ist ein ganz schön großer Tatort, den man da abzudecken hätte.«
Jenna hielt inne und versuchte, aus Bobs Gesichtsausdruck in dem schwachen Licht schlau zu werden.
»Sie glauben, dass der Mörder einen Komplizen hatte.«
»Oder vielleicht ist er gar nicht tot. Ich bin mir nicht sicher. Das FBI stimmt mir da natürlich nicht zu. Aber ich frage mich immer wieder, warum Rachel Strohmeyer nie eine Aussage machen wollte. Wäre der Mörder wirklich tot, was sollte sie daran hindern? Aber wenn er noch am Leben wäre und sie bedrohte …«
»Glauben Sie, dass ihr vermisster Freund der Mörder sein könnte?« Nein, der wäre ja viel zu jung, um vor mehr als zehn Jahren mit dem Morden begonnen zu haben. »Nein. Sie glauben, er wird vielleicht als Geisel gehalten? Nach all der Zeit? Oder ist er doch ein Komplize?«
Bob hob ratlos die Schultern. »Ich weiß nicht mehr, was ich noch denken soll. Bis Sie hier auftauchten, dachte ich, ich sei die einzige Person, die noch irgendwelche Fragen stellte. Und ich fragte mich, ob ich es vermasselt habe.«
»Wie das?«
Bob schwieg lang. Er ergriff wieder ihre Hand und führte Jenna über den engen Felsvorsprung entlang der anderen steil abfallenden Grube. Er ließ die Hand auch dann nicht los, als sie die Gefahrenzone hinter sich gelassen hatten.
»Nun, ich frage mich immer wieder, was passiert wäre, wenn ich Lucy begleitet hätte. Wenn ich mit ihr in der Höhle gewesen wäre, hätte er sie vielleicht nicht verletzen können. Und wir hätten Marion Caine retten können.«
Den Fisch in der Hütte mitten im Cuyahoga-Nationalpark zu angeln war lächerlich einfach. Sobald die Leute die Stadt verließen, wurden sie unachtsam. Morgan mochte den Wald. Er dämpfte die Geräusche. Man konnte hören, wenn sich jemand näherte, und brauchte sich keine Sorgen zu machen, dass man gehört wurde, solang man sich abseits genug hielt. Das dichte Blattwerk, die Hemlocktannen und die Rhododendronbüsche garantierten selbst mitten im Winter guten Sichtschutz. Außerdem war es so friedlich. So konnte man sich umso besser auf die vor einem liegende Aufgabe konzentrieren. Clint überließ Morgan die gesamte Planung: das Heranpirschen, das Einbrechen, das Ausschalten des Fisches mit dem Elektroschocker. Dann lag der Fisch zwischen ihnen auf dem Boden der Hütte. Danach lief alles ab wie vorgesehen.
Morgan schälte den Fisch aus den Kleidern und bewachte dann den einzigen Ausgang, während
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