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Blutflecken (Ein Lucy-Guardino-Thriller) (German Edition)

Blutflecken (Ein Lucy-Guardino-Thriller) (German Edition)

Titel: Blutflecken (Ein Lucy-Guardino-Thriller) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: CJ Lyons
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Schneematsch ahnungslosen Fußgängern auf. Dicke Wolken drückten schwer wie Stahl gegen das schwindende Sonnenlicht, als wollten sie alles Leben aus der Stadt quetschen. Es sah nach Neuschnee aus.
    Vom Fußballplatz, wo die Kinder in bunten Trikots einem schlammverschmierten Ball hinterherjagten, drang fröhliches Geschrei an Lucys Ohr. Trotz des miesen Wetters reihten sich viele Eltern entlang der Seitenlinie unter hellen Golf-Regenschirmen und klatschten und feuerten ihren Nachwuchs an. Es ging hier um ein spezielles Trainingslager für die Auswahlmannschaft der Region. Die besten Spielerinnen und Spieler aus Megans Altersklasse waren versammelt und dementsprechend auch die besten Spielermütter und väter. Lucy hielt sich abseits. Sie hatte keinen Regenschirm dabei. Sie brauchte zwei freie Hände. Sie setzte auch nicht die Kapuze auf, das schränkte ihr Sichtfeld viel zu sehr ein. Sie legte eine Hand auf die Waffe in ihrem Hüfthalter und blieb hinter der Menge und in der Nähe ihres Autos stehen. Von hier aus konnte sie sowohl Megan im Blick behalten als auch die Eltern beobachten. Außerdem bot das Auto zugleich Schutz und eine Fluchtmöglichkeit. Sie hörte eine Trillerpfeife. Lucy zuckte ruckartig zusammen. Ihre Hand umfasste die Glock. Nick hatte bei ihr übertriebene Wachsamkeit diagnostiziert. Kein Wunder, nachdem sie vor zwei Monaten beinahe ums Leben gekommen wäre und ihre Tochter in akuter Gefahr geschwebt hatte. Als wäre auch nur irgendetwas daran normal.
    Plötzlich verschwand Megan aus Lucys Blickfeld, als ihr die Sicht von zwei Vätern versperrt wurde, die über die Offensiv-Aufstellung der Steelers, Pittsburghs American-Football-Mannschaft, diskutierten. Lucys Herz machte einen Satz, taumelte in den Schnellgang und trommelte lauter als der Schneeregen auf dem Autodach. Sie machte zwei hektische Schritte vorwärts. Hände. Sie musste alle Hände dieser Typen sehen und gleichzeitig Megan wieder ins Visier bekommen. Erst als die Trillerpfeife erneut schrillte und sie Megans Silhouette in der Menge auf dem Feld wieder entdeckte, realisierte Lucy, dass sie ihre Waffe gezogen hatte.
    Warme Tränen liefen über ihre eiskalten Wangen, ein krasser Gegensatz zu der Hitze in ihrem Inneren, wo sich Scham und Furcht ausbreiteten. Sie hatte die Waffe weder erhoben noch auf jemanden gerichtet. Aber das machte keinen Unterschied. Entscheidend war, dass ihre Gefühle ihre antrainierte Professionalität übermannt hatten.
    Glücklicherweise konzentrierten sich die übrigen Eltern weiterhin aufs Spielfeld. Lucy drehte sich um. Vor lauter Zittern brauchte sie beide Hände, um die Waffe zurück in das Halfter zu stecken. Die Übelkeit kehrte zurück und ließ ihren Mund trocken und die Haut kaltfeucht werden. Sie lehnte sich gegen den Wagen und konzentrierte sich auf das Atmen. Das was gar nicht so einfach, weil sie auch gegen die aufsteigende Panik ankämpfen musste. Seit September war die Panik nie ganz verschwunden. Wenigstens konnte Lucy sie kontrollieren. Sie musste. Wer würde ihre Familie beschützen, wenn sie sich gehen ließ?

Kapitel 2
    Als Adam Caine in New Hope, Pennsylvania, aus dem Greyhound-Bus stieg, hatte er genau siebzehn Cent in seiner Hosentasche. Alles, was er besaß, trug er am Leib: zerschlissene Turnschuhe mit einem Loch vorn an den Zehen und einem gerissenen Schnürsenkel, Jeans, T-Shirt, ein Flanellhemd, ein Sweatshirt mit dem Aufdruck der Penn-State-Universität, dessen Saum aufgegangen war, sowie die übergroße Jeansjacke seines Vaters.
    Adam war vierzehn Jahre alt, ihm war kalt, er hatte Hunger und kein Zuhause mehr. Als Bushaltestelle diente der Bordstein vor Thomsons Eisenwarengeschäft. Einen Busbahnhof gab es nicht. Wenn man überhaupt das Glück hatte, von hier wegzukommen, kaufte man die Fahrkarte bei einem Angestellten im Safeway-Supermarkt am anderen Ende des Parkplatzes. New Hope, neue Hoffnung. Von wegen. »Keine Hoffnung« hatten die älteren Kinder den Ort immer genannt, als Adam noch jünger gewesen war.
    Auch Adam hatte keine Hoffnung, in absehbarer Zeit aus New Hope herauszukommen. Aber das war okay. Es fühlte sich sogar ganz gut an, wieder hier zu sein. Die letzten acht Monate hatte er auf sich allein gestellt verbracht, Essensreste geplündert und sich gegen die Brutalos auf der Straße durchgesetzt, gegen andere Jugendliche, die genauso verlassen und verängstigt waren wie er, obdachlose Psychos, die sich durchschlagen mussten, und gegen alle möglichen Perversen –

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