Blutflucht - Evolution
weißen Kitteln. Vergeblich zerre ich an den Fesseln, mein Herz klopft panisch und die Schmerzen in meiner Brust bringen mich fast um
.
Kate – ihr Gesicht schwebt immer vor meinen Augen, sie gibt mir Kraft, das zu überstehen …
So plötzlich wie diese Vision gekommen war, war sie auch vorbei. Ich ließ mir nichts anmerken, wie ich es immer tat, wenn ich Erinnerungsfetzen von anderen Personen aufschnappte – was wirklich völlig unbeabsichtigt geschah, falls mein Gegenüber es nicht beherrschte, seine Gedanken abzublocken.
Meine Gabe war nicht immer ein Segen.
»Frühstück bekommst du bei Sam in der Kneipe. Er hat morgens von halb sieben bis neun offen.« Wow, ich hatte mich weder versprochen noch gestottert! Und das, obwohl mich das gerade Gesehene mächtig aufwühlte, besonders, dass
ich
in Jacks Vision vorkam. Warum ausgerechnet ich? Und diese Schmerzen – ich hatte sie beinahe wirklich spüren können, als hätte mir jemand mit glühenden Klingen die Brust aufgeschlitzt!
Jack nickte, fuhr sich über das Gesicht und sperrte die Zimmertür auf.
»Gute Nacht, Jack. Und danke noch mal.« Hastig drehte ich mich um und ging. Plötzlich wollte ich weg von ihm. Ich musste erst verarbeiten, was ich gefühlt hatte. Oh Gott, seine Erinnerungen waren grauenhaft!
»Dir auch eine gute Nacht, Kate«, rief er mir nach und verschwand in seinem Zimmer.
Wer war der Mann? Warum kam ich in seiner unheimlichen Erinnerung vor?
Kurz vor der Haustür hörte ich wieder seine Stimme. Wie schaffte er es nur, sich so geräuschlos anzuschleichen? Mein Herz klopfte heftig, als ich zu ihm herumwirbelte, was ihn zum Schmunzeln brachte.
Oh Mann, diese Grübchen! Wenn der Kerl lachte, war er unwiderstehlich.
Sein Grinsen wurde noch breiter. »Keine Panik! Ich wollte dich nur fragen, ob du jemanden kennst, der Arbeit für mich hat? Ich würde gerne länger in der Stadt bleiben.«
Tief blickte er mir in die Augen. Sein Lächeln erzeugte ein angenehmes Gefühl in meiner Magengegend, weshalb mir leicht schwindlig wurde. Alles um mich herum schien auf einmal so unwirklich. Wie erstarrt schaute ich in sein wildes, wunderschönes Gesicht.
Es kam mir wie eine Ewigkeit vor.
Tief in seinem Inneren war er – trotz seiner äußerlichen Gelassenheit – wütend und verstört. Ich ignorierte diese Eingebung gleich wieder, denn so ein seltener Augenblick musste voll ausgekostet werden. Was hatte dieser Mann doch für sinnliche Lippen … und erst diese Augen … so grau wie ein wolkenverhangener Sturmhimmel. Sein Gesicht war ebenmäßig, das Kinn markant. Nur seine Nase war einen Tick zu lang, was seiner Schönheit keinen Abbruch tat – im Gegenteil. Sie machte sein Gesicht vollkommen. Mich befiel der Drang, diese Nase zu küssen, ebenso den herrlichen Mund, und meine Finger in seine Haare zu schieben. Wie würden sie sich anfühlen? Seidenweich oder eher störrisch?
Meine Angst vor Jack kam mir mit einem Mal lächerlich vor und mein Herz raste jetzt aus anderen Gründen. Vielleicht hatten sich zwei Erinnerungen überschnitten und er dachte gerade an mich, weil er mich attraktiv fand? Oder ich hatte einen Traum gesehen?
Fantasiere weiter, Kate …
Ob Jack ein Mutant war, der Frauen allein durch seinen Willen hörig machen konnte? Beinahe kam es mir so vor und ich hätte absolut nichts dagegen gehabt. Mein Körper stand in Flammen, alles kribbelte, jeder Nerv schwang wild hin und her. Was war nur los mit mir?
»Kate?«, fragte er nach einer Weile grinsend, was mich aus meiner Träumerei riss.
Ich Idiotin! Warum hatte ich mich nicht besser unter Kontrolle? Er hielt mich jetzt sicher für eine Frau mit dem Hirn einer Stechmücke. »Oh … ja … ich werde Sam fragen. Der kennt eine Menge Leute hier in der Stadt.«
»Danke«, antwortete er. »Noch mal gute Nacht.« Er zwinkerte mir zu und drehte sich um.
Da verschwand er – im Halbdunkel des Hausflures.
Regungslos blieb ich in der offenen Tür stehen und blickte ihm wie hypnotisiert nach, bis seine Silhouette mit der Dunkelheit verschmolz.
Ich glaube, ich habe mich schwer verliebt
, dachte ich, als ich auf einer rosa Wolke zurück in Sams Kneipe flog. Sollte Jack doch von mir denken, was er wollte. In meinem Herzen würde er immer mein Traummann bleiben. Nur diese schreckliche Vision störte die Vollkommenheit ein bisschen – ein ganz kleines bisschen.
Am nächsten Morgen stand ich früher auf als gewöhnlich, obwohl ich nachts nicht gut geschlafen hatte. Immerzu hatte ich an Jack
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