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Blutflucht - Evolution

Blutflucht - Evolution

Titel: Blutflucht - Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loreen Ravenscroft
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denken müssen und an das, was ich gesehen hatte, als sich unsere Hände kurz berührten. Er musste etwas sehr Schreckliches erlebt haben. Hatten seine vielen Narben etwas mit dieser Vision zu tun? Ich hoffte inständig, dass Jack sich bei Sam ein Frühstück gönnen würde, da ich ihn so schnell wie möglich wiedersehen wollte. Hastig schlüpfte ich in meine besten Jeans und in eine weiße Bluse. Sogar Lippenstift legte ich auf.
    Auch heute Morgen schickte die Sonne ihre erbarmungslosen Strahlen auf die Erde, die Greytown bis zum Mittag in einen Glutofen verwandeln würden, wäre da nicht die sanfte Brise, die stets vom Meer herauf wehte und die Stadt mit ihrem salzigen Hauch erfrischte. Leider brachte sie immer noch Vulkanasche mit sich. Vor Kurzem hatte es weit draußen auf dem Meer einen Vulkanausbruch gegeben, gefolgt von einem Seebeben, das auch Greytown leicht durchgerüttelt hatte. Tagelang hatte der Berg Asche gespuckt, daher war es in der Stadt jetzt so staubig und viele Häuser nicht mehr bewohnbar. Gott sei Dank hatte der Tsunami uns verschont. Die Fischer, die ihr Zuhause auf dem Festland verloren hatten, lebten seitdem in den schwimmenden Fischaufzuchtstationen. Das Meer war ihre neue Heimat geworden.
    Zum Glück war Sams Kneipe nur zwei Blocks von meiner Wohnung entfernt. Die wenigen Meter nahm ich im Laufschritt, weshalb ich schon kurze Zeit später atemlos in den Laden stürzte, in dem bereits vier Männer an ihrem Kaffee schlürften. Mein Onkel blickte mich irritiert an, die Brauen nach oben gezogen, und wollte sofort wissen, was ich um sieben Uhr morgens in seiner Kneipe zu suchen hatte.
    »Ich konnte nicht mehr schlafen und da dachte ich, ich helfe dir ein bisschen mit dem Frühstück.« Das war immerhin nicht ganz geflunkert, hatte ich mich doch die halbe Nacht unruhig hin und her gewälzt.
    Sam antwortete mir mit einem Ich-weiß-schon-was-mit-dir-los-ist-Lächeln, denn schließlich kannte er mich lange genug. Natürlich freute es ihn trotzdem, dass ich hier war.
    Schnell belegte ich Sandwiches und machte neuen Kaffee. Jedes Mal, wenn die Tür aufging, schlug mein Herz schneller. Aber Jack kam nicht.
    Als zwei Stunden später die letzten Gäste gegangen waren, half ich Sam beim Aufräumen. Da sagte er zu mir: »Du hast mich doch gestern gefragt, ob ich für deinen neuen Gast, diesen Jake …«
    »Jack!«, unterbrach ich ihn, wobei mir fast ein Glas aus der Hand gefallen wäre.
    »Ja, Jack, ob ich jemanden wüsste, der für ihn Arbeit hätte.«
    »Jaa …?«, fragte ich bemüht beiläufig, während ich mit zitternden Händen die Spülmaschine einräumte.
    »Ja, also, nachdem du mir gestern erzählt hast, wie er dir diese zwei aufdringlichen Teens vom Hals geschafft hat … also meiner Kate zu Hilfe geeilt ist … da hab ich gleich an Ron denken müssen.« Sam kratzte sich an seinem fast haarlosen Hinterkopf.
    »Ron Williams?« Ich kannte Ron beinahe so lange wie ich bei meinem Onkel lebte. Sie waren gute Freunde, auch wenn sie sich nur selten sahen. Ron war am Hafen für das Verladen der Fracht zuständig.
    »Ja, der kann nämlich immer starke Arme gebrauchen und außerdem schuldet er mir noch einen Gefallen. Ich habe Jack gleich heute Morgen zu ihm geschickt.«
    »Er war schon hier?« Fast hätte ich Sam angesprungen! Warum hatte er mir das nicht früher erzählt? »Wann denn?« Hoffentlich bemerkte Sam meine Enttäuschung nicht.
    »Er hat bereits vor meiner Tür gestanden, bevor ich die Kneipe geöffnet hatte. Scheint ein netter Kerl zu sein.« Er zwinkerte mir zu. Dieser alte Gauner wusste genau, was mit mir los war. Also hatte es mich wohl schwerer erwischt, als ich mir eingestehen wollte.
    Sam kramte gähnend seinen Schlüssel aus der Hosentasche. »Jetzt werde ich mich aufs Ohr hauen. Heute Abend wird es wie immer spät.«
    Gemeinsam verließen wir die Kneipe und ich begleitete ihn bis zu seiner Wohnung, die gleich im Stockwerk darüber lag.
    »Schlaf gut, Onkelchen, bis heute Abend«, sagte ich und drückte ihm einen Kuss auf die Stirn. Diesen alten Mann liebte ich über alles. Er war der beste Freund, den ich mir auf dieser Welt wünschen konnte.
    Ich war erst zehn Jahre alt gewesen, als meine Eltern bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen waren. Sam hatte mich bei sich aufgenommen – ich hatte zuvor schon unter der Woche bei ihm gewohnt, weil meine Eltern bis tief in die Nacht arbeiten mussten –, wobei er mir im Laufe der Jahre mehr als ein Ersatzvater geworden war. Vor allem war

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