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Blutflüstern: Novelle (German Edition)

Blutflüstern: Novelle (German Edition)

Titel: Blutflüstern: Novelle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Harrison
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schossen in meine Augen, als mir klar wurde, wer diese Worte geschrieben hatte. »Ich schreibe dies am Abend unseres Herbsttages, während ich dich schlafen lasse. Du bist noch ein Kind, aber heute habe ich die werdende Frau in dir gesehen …« Pierce brach ab und sah mir in die Augen. »Das ist für
Euch«, sagte er und hielt mir das Blatt entgegen. Seine Miene wirkte so tief betroffen, als teilte er meinen Kummer.
    »Lies es mir vor«, sagte ich und unterdrückte ein Schluchzen. »Bitte.«
    Pierce rutschte ein wenig auf seinem Sitz hin und her, dann las er weiter. »Heute habe ich die werdende Frau in dir gesehen, und du bist wunderschön. Mein Herz bricht bei dem Gedanken, dass die Umstände wahrscheinlich verhindern werden, dass ich sehe, wie du deine volle Stärke entwickelst, aber ich bin stolz auf deinen Mut und ich bewundere heute schon, was du erreichen wirst, wenn deine körperliche Stärke endlich mit deinem Geist in Einklang gerät.«
    Ich hielt den Atem an, um nicht laut zu weinen, aber davon bekam ich nur Kopfweh, und trotzdem rann eine heiße Träne über meine Wange.
    »Fürchte dich nicht davor, deinen Fähigkeiten zu vertrauen«, las Pierce mit weicher Stimme weiter. »Du bist stärker, als du denkst. Vergiss niemals, das Leben voller Mut auszukosten und vergiss niemals, dass ich dich liebe.« Pierce ließ das Blatt sinken und legte es mir in den Schoß. »Es ist unterschrieben mit ›Dad‹.«
    Ich schnüffelte und lächelte Pierce an, während ich mir über die Augen wischte. »Danke.«
    »Kleines Glühwürmchen?«, fragte er in dem Versuch, mich ein wenig von meinem Herzschmerz abzulenken.
    »Ich glaube, es liegt an den Haaren«, sagte ich, hob das Papier unter meine Nase und atmete tief den schwachen Geruch von Pfeifenrauch ein. »Danke dir, Pierce«, sagte ich und drückte ihm die Hand. »Ohne dich hätte ich diese Nachricht niemals gefunden.«
    Der junge Mann lächelte und schob sanft eine Haarsträhne aus meinem Gesicht. »Es ist nichts, was ich mit Absicht getan hätte.«
    Vielleicht, dachte ich, während ich ihn anlächelte, hatte der Zauber, um meinen Dad zurückzuholen, letztendlich doch funktioniert – auf die einzige Weise, wie es möglich war, indem seine Liebe die Regeln der Natur und der Magie verbogen hatte, um mir eine Nachricht aus seinem Grab zu übermitteln. Mein Dad war stolz auf mich. Er war stolz auf mich und wusste, dass ich stark sein konnte . Das war alles, was ich je gewollt hatte, und ich atmete tief durch.
    Ich würde wieder weinen. Auf der Suche nach Ablenkung entdeckte ich den Umschlag von meiner Mom. »Meine Mom hat meine Bewerbung unterschrieben«, sagte ich und packte entschlossen das Papier. »Ich werde es tun, Pierce. Mein Dad hat gesagt, ich solle an meine Fähigkeiten glauben, und ich werde es tun. Ich werde zur I.S. gehen.«
    Aber als ich mich mit meiner unterschriebenen Bewerbung in der Hand wieder zu ihm umdrehte, war er verschwunden.
    Mir stockte der Atem. Mit weit aufgerissenen Augen sah ich nach Osten und entdeckte dort den schmalen Rand der Sonne zwischen den schwarzen Ästen. In der Stadt erklangen die Glocken, um den neuen Tag zu begrüßen. Die Sonne war aufgegangen. Pierce war weg.
    »Pierce?«, fragte ich leise, während ich die Hand mit der Bewerbung langsam sinken ließ. Ich konnte es einfach nicht glauben und starrte auf seinen leeren Stuhl. Seine Fußabdrücke waren immer noch da, und ich konnte immer noch Kohlenstaub und Schuhpolitur riechen, aber ich war allein.
    Ein Windstoß wirbelte das Feuer auf, und eine Hitzewelle hob meine Haare. Es war ein tröstliches Gefühl, als berührte er zum Abschied kurz meine Wange. Er war verschwunden, einfach so.
    Ich schaute auf die Uhr meines Dads und hielt sie fest. Ich würde besser werden. Meine Ausdauer konnte besser werden. Meine Mom glaubte an mich. Mein Dad ebenso. Mit zitternden Fingern faltete ich seine Nachricht wieder zusammen, steckte sie zurück in die Uhr und schloss den Deckel. Dann drückte ich sie an meine Brust, bis das Metall sich erwärmte.
    Ich atmete tief durch und schaute in die Reinheit des Morgens. Die Sonnenwende war vorbei, aber alles andere? Alles andere fing gerade erst an.

DIE FANTASTISCHE WELT DER RACHEL MORGAN
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