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Bluthochzeit in Prag

Bluthochzeit in Prag

Titel: Bluthochzeit in Prag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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rollen. Das große Manöver begann. Über die Grenzen im Osten strömten die Soldaten der befreundeten Staaten ein. Es war, als hielte nun ein ganzes Volk den Atem an.
    Am 21. Juni, morgens um 10 Uhr, klopfte ein mittelgroßer, unscheinbarer Mann an die Tür von Valentina Kysaskaja. Sie öffnete und blickte in ein gutmütiges, breites, leicht tatarisches Gesicht mit kaum geschlitzten Augen.
    Noch bevor der Besucher sprach, wußte sie, was sie erwartete.
    »Bleiben Sie einen Augenblick vor der Tür, Genosse«, sagte sie. Ihre Ruhe war bewundernswert. »Ich möchte mich umziehen. Es dauert zehn Minuten. Wer hat Sie geschickt?«
    »Major Wladimir Alexejewitsch Krupkin.«
    Valentina hob die langen, nachgezogenen Brauen. »Ein unbekannter Mann. Ich habe den Namen noch nie gehört.«
    »Er ist aus New York zu uns gekommen, also aus vorderster Front. General Ignorow hält viel von ihm.«
    Valentina nickte und schloß die Tür. Der höfliche Mensch mußte einen Schritt zurückspringen, sonst hätte er eine Beule an der Stirn bekommen.
    Eine Viertelstunde später fuhr ein schwarzer, geschlossener Wagen Valentina Kysaskaja hinaus aus Prag. Daß ihm ein anderer Wagen folgte, bemerkten die Insassen nicht, denn hinter ihnen nebelte eine Staubwolke die Straße ein, als sie die Chaussee verließen und über unbefestigte Wege durch das sommerliche Land fuhren.

III
    Es war nur ein Zufall, daß Micha Lucek und Karel Pilny an diesem Morgen vor der Wohnung Valentinas warteten. Aber gerade Zufälle haben schon oft vieles grundlegend verändert. Zufälle sind die meist makabren Witze des Schicksals.
    Pilny hatte Irena zur Universität gefahren und war nun auf dem Wege zum Funkhaus, als er Lucek vor dem Anatomischen Institut stehen sah. Er winkte ihm zu, hielt seinen klapprigen Wagen an und beugte sich aus dem Fenster.
    »Ist dir deine Sezierleiche abhanden gekommen?« rief er fröhlich.
    »Miroslava ist noch nicht da.« Lucek trat an den Wagen heran. »Sie hat heute Anatomie. Die anderen schnippeln schon herum und sie …«
    »Wird sich verschlafen haben.« Pilny blinzelte mit den Augen. »Das Nachtleben von Prag. Es gibt auch noch andere schöne Männer außer dir!«
    »Noch ein Wort, und du erkennst dich im Spiegel nicht wieder!« Lucek riß die Tür auf und faßte Pilny am Rockkragen. Aber er lachte dabei. Miroslava und ein anderer Mann? Undenkbar. Zwar war er mit ihr noch nicht weitergekommen als bis zu einem längeren Händchenhalten, verliebten Sprüchen und einem Abschiedskuß auf die linke Wange. Trotzdem fühlte er sich als Besitzer Miroslavas, als Einziger in ihrem Leben.
    »Fahr mich zu ihr«, sagte Lucek und stieg einfach ein. »Los, guck nicht so blöd … mach einen Umweg zum Funkhaus und setz mich bei meinem Schätzchen ab.«
    »Man soll wunderhübsche Mädchen nie überraschen.« Pilny fädelte sich in den regen Morgenverkehr ein. »Wie schnell werden Illusionen zerstört.«
    »O Gott, verschone mich mit deiner Gassenphilosophie. Miroslava ist ein Engel.«
    »Irrtum, Engel sind geschlechtslos. Miroslava aber hat –«
    Lucek hielt Pilny die Faust unter die Nase. Dann lachten sie beide wieder und fanden, daß es ein schöner, sonniger Morgen sei, viel zu schade, um ihn mit Arbeit zu beleidigen. Sie hielten vor dem alten Haus, in dem Valentina ihr Zimmerchen unter dem Dach hatte, und jede romantische Stimmung war plötzlich weggeblasen wie von einem Sturmstoß. Vor der Tür stand ein schwarzer Wagen. Pilny schielte zu Lucek hinüber. Der hatte sich vorgebeugt und starrte das Auto mit giftigen Blicken an.
    »Nun platz nicht gleich«, sagte er leise. »Es wohnen ja noch mehr Leute im Haus.«
    »Es ist ein Wagen aus Preßburg.« Die Stimme Luceks war belegt. »Hast du Zeit, noch ein paar Minuten zu warten?«
    »Eigentlich nicht. Im Funkhaus –« Pilny sah auf seine Uhr. Noch zehn Minuten bis zur Reporterbesprechung beim Chefredakteur ›Aktuelles‹. Das war sowieso zu spät. Bis zum Funkhaus waren es zwanzig Minuten. Man soll nie halbe Dinge tun, dachte Pilny. Das ist einer der weisen Sprüche von Frau Plachová. Wenn man schon zu spät kommt, dann nicht zehn Minuten, sondern gründlich.
    »Karel, du bist mein Freund –«, sagte Lucek und faßte ihn am Arm. Pilny nickte.
    »Nun wein nicht gleich, Kleiner. Ich bleibe hier und sehe mir an, wer da aus dem Häuschen kommt. Ist's ein alter Mann mit Glatze und Bauch, gibst du Trottel einen aus. Ist's ein junges, elegantes Herrchen –«
    »– sause ich aus deiner verdammten

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