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Bluthochzeit in Prag

Bluthochzeit in Prag

Titel: Bluthochzeit in Prag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ließen keine Wärme durch, wie sie auch nichts hinausließen … kein Stöhnen, kein Weinen, kein Schreien.
    Irena machte eine Probe. Sie legte sich auf den geschrubbten Dielenboden, rollte sich zusammen wie ein Hund und verkroch sich in sich selbst, ein Klumpen Mensch, der sich durch seine eigene Körperwärme schützt.
    So wird es gehen, dachte sie, als sie wieder auf der eisernen Bettkante saß. So muß es gehen. Sie wollen mich zermürben, aber sie werden es nie schaffen.
    Karel und Micha und die anderen verraten?
    Sie schüttelte den Kopf, als habe sie jemand laut gefragt.
    Und wenn sie stehend, an die Wand gelehnt, schlafen müßte … kein Wort würde sie mehr sagen, das wußte sie.
    *
    Karel Pilny wurde aus dem Funkhaus fortgeholt, wo er gerade die sturen Durchsagen des Landfunks sprach. Ein Kollege war erkrankt, und so mußte er ablesen, daß es eine neue Düngermethode gab, daß man Unkraut im Kornfeld auf neue Art vernichten könne, ohne die Saat zu vergiften, daß bei einer Bullenkörung der Bulle ›Frantizek‹ den Rekordpreis von 20.000 Kronen gebracht hatte. Lucek, der bis zum Senderaum durchgedrungen war, wartete ungeduldig auf das Ende der Sendung und winkte dann Pilny mit beiden Armen durch die Glasscheibe, die den völlig schalldichten Sprechraum von dem übrigen großen Zimmer, in dem vier Tontechniker an Pulten mit Knöpfen und Schiebern saßen, verzweifelt zu. Pilny nahm den Kontrollkopfhörer herunter, raffte seine Manuskripte zusammen und kam aus dem Glaskasten.
    »Deine Tante ist schwer krank!« sagte Lucek, bevor Pilny etwas fragen konnte. »Ich war schon beim Sendeleiter … du hast heute frei, um ins Krankenhaus zu fahren. Komm schon, ehe sie stirbt … sie will den guten Karel noch einmal sehen …« Er riß den verblüfften Pilny aus dem Senderaum und warf die Tür zu. Auf dem breiten Flur tippte sich Pilny an die Stirn.
    »Bist du verrückt? Ich habe doch gar keine Tante.«
    »Irena ist verhaftet –«
    Einen Augenblick sahen sich Pilny und Lucek stumm an. »Wann?« fragte Karel heiser.
    »Vor knapp zwei Stunden. Ein Beamter der politischen Polizei, dessen Sohn ein Kommilitone ist, rief mich in der Uni an. Man hat sie beim Verteilen der Zeitungen erwischt.«
    »Mein Gott … und nun?« Pilny machte den Eindruck eines Mannes, der plötzlich blutleer geworden war. Sein Gesicht, seine Lippen, seine Hände waren weiß. »Man wird sie verhören, und wenn sie nichts sagt, wird man sie schlagen und foltern. Wir kennen die Burschen von der politischen Polizei. Es sind Hunde, ausgemachte Hunde! Sie werden Irena zerbrechen … sie werden sie … Micha, sieh mich nicht so an! Wir müssen etwas tun! Wir müssen Irena helfen!«
    »Dr. Hruska ist schon unterwegs. Er ist ein Freund meines Vaters und Mitglied des Zentralkomitees der Partei. Er will gleich mit dem Chef der Polizei sprechen.«
    »Das kann Stunden dauern.«
    »Allerdings.«
    »Und in diesen Stunden schlagen sie Irena zusammen.« Pilnys Atem flog. Die Ohnmacht, in der sie sich befanden, war unerträglich. Aber noch schrecklicher war der Gedanke, daß Irena jetzt in die Mühle eines gnadenlosen Verhörs geschoben wurde. »Wir müssen etwas tun!« sagte Pilny immer wieder, als sie mit Luceks Wagen durch Prag fuhren. »Wir müssen etwas tun!«
    Lucek fuhr schweigend zu seiner Wohnung, drückte Pilny dann in einen Sessel und gab ihm eine Kognakflasche in die Hand. »Trink«, sagte er rauh. »Besauf dich, bis du umfällst … wir müssen auf Dr. Hruska warten … weiter können wir nichts tun. Jeder von uns weiß, was ihn erwartet … auch Irena weiß es. Und sie wird schweigen.« Er nahm Pilny die Flasche aus der Hand, setzte sie an den Mund und trank einen tiefen Schluck. Dann gab er sie wieder zurück, und Pilny machte es ihm nach.
    An diesem Vormittag geschah etwas Rätselhaftes.
    Valentina Kysaskaja verließ die Universität, kurz nachdem Lucek ihr die Verhaftung Irenas zugerufen hatte und weggerannt war. Sie winkte ein Taxi heran, ließ sich in die Altstadt fahren, schloß sich in ihrem Dachzimmerchen ein und baute das Funkgerät auf. Außerhalb der festgesetzten Zeit zu funken, das war eine ungeheure Verletzung des Moskauer Befehls, ein Leichtsinn, bei dem sich Oberst Tschernowskij die Haare raufen würde. Aber was bedeutete jetzt noch ein Befehl?
    Valentina hockte sich wieder auf das Bett, schob die lange, dünne schwankende Antenne aus dem Dachfenster in den blauen Frühsommerhimmel, klemmte den Kopfhörer an die Ohren und warf den

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