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Bluthochzeit in Prag

Bluthochzeit in Prag

Titel: Bluthochzeit in Prag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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durch die Nacht. Die Sowjets bestiegen ihre Panzer und Fahrzeuge, und zehn Minuten später waren sie verschwunden wie ein Spuk, der sich beim Glockenschlag eins auflöst.
    Der Schuppen beim Bauern Konvalinka in Kralovice war leer. Pilny hatte es fast erwartet.
    »Genossen von der Sektion III in Pilsen haben den Sendewagen gestern nacht abgeholt«, sagte der alte Bauer, als Pilny seinen Ausweis von der ›Civilni obrana‹ zeigte. »Er sendet schon fleißig. Tut mir leid, Genosse. Sie kommen zu spät. Aber ich kann Ihnen sagen, wo Sie die anderen Genossen finden. Wenn Sie in Richtung Marienbad fahren –«
    Pilny fuhr nicht nach Marienbad … er schlug einen Bogen und fuhr nach Südwesten. Gegen Mittag erreichten sie das einsame und unwegsame Gebiet des urwaldähnlich verfilzten Gebirges zwischen Zelezna Ruda und Strazny. In der Nähe des 1.314 Meter hohen Berges Potedni rumpelten sie über Waldwege, die nur von Pferdefuhrwerken, welche Stämme abschleppten, befahren wurden, tief in das Schluchtengebiet hinein, bis der Pfad in bizarrer Wildnis endete. Hier hatte Europa noch das Gesicht der Eiszeit. Die Jahrhunderte waren über diese Landschaft hinweggezogen wie Wolken.
    »Daß es so etwas noch in Europa gibt«, sagte Irena und blickte schaudernd in die feuchte Dunkelheit der Schluchten und verfilzten Wälder.
    »Einen besseren Platz für unseren Sender gibt es nicht.« Pilny ruhte sich einen Moment aus und steckte sich eine Zigarette an. »Zwanzig Kilometer weiter muß die deutsche Grenze sein. Von hier aus empfange ich ganz klar die Sender Wien und Linz, München und die Deutsche Welle. Unsere anderen Freiheitssender Brunn, Budweis, Radio Dana und Radio Nordböhmen sind um uns herum installiert. Ein solches konzentriertes Feuer der Wahrheit ist für die Russen schlimmer als zehn kämpfende Armeen. Vor allem werde ich eins tun: Ich werde täglich eine Stunde lang eine russische Sendung ausstrahlen und den lieben Genossen aus der Steppe mitteilen, wie man in Europa über sie denkt und wie sie von ihren Offizieren und Politkommissaren belogen werden. Ich weiß, daß viele Russen mit ihren Radios diese Sendung abhören werden. So etwas spricht sich herum.«
    Auf dem Rücksitz lag Lucek. Er schlief nicht mehr, er hatte die Augen offen. Den Arm mit der in der Vene steckenden Kanüle hatte Irena auf ein Brett geschnallt, das sie unterwegs auf der Landstraße gefunden hatten.
    »Sind wir da?« fragte Lucek. Seine Stimme klang wie verrostet. In den Augen glänzte das beginnende Fieber, das Pilny und Irena mehr fürchteten als eine Begegnung mit den Russen. Sollte nun eintreffen, was Dr. Matuc prophezeit hatte? Mußte man Lucek doch noch in ein Krankenhaus bringen? Das wäre das Ende des Freiheitssenders Karel Pilny.
    »Ja, wir sind da!« Weit öffnete Pilny die Wagentür und ließ die frische Waldluft herein. Er gab Lucek einen vorsichtigen Stoß in die Rippen. »Wie geht es dir, alter Junge?«
    »Gut.«
    »Lüg nicht! Daß ihr Mediziner immer so gräßlich lügen müßt. Lernt ihr das eigentlich auch auf der Universität? Welches Semester? Dir geht es miserabel, alter Junge.«
    »Warum fragst du dann so dämlich?« Michael atmete mühsam. »Ich friere.«
    »Bei dieser Wärme?« Pilnys Gesicht wurde ernst. Wenn er friert, während sein Kopf glüht, hatte Dr. Matuc gesagt, dann sollten Sie keine Zeit mehr verlieren. Und nun fror Lucek. Pilny legte die Hand auf Michas Stirn und zog sie sofort wieder zurück. Er hatte wie in einen Backofen gegriffen.
    »Nun mach kein Gesicht, als solltest du Eunuche werden«, sagte Lucek mühsam. »Ich weiß, daß ich Wundfieber habe. Ich weiß auch, wie es weitergeht. Ich habe die Lehrbücher im Kopf. Kümmere dich nicht darum … fang lieber an, endlich zu senden! Sonst kann passieren, daß du zur Freiheit aufrufst und die Russen sind schon längst wieder abgezogen.«
    »Du bekommst gleich die dritte Flasche Plasma angelegt.« Pilny winkte Irena zu.
    »Kannst du mir eine Spritze geben, Mädchen?« fragte Lucek, als sich Irena über ihn beugte und ebenfalls seine glühende Stirn befühlte.
    »Ich habe es noch nicht versucht … aber es wird schon gehen.«
    »Intramuskulär, das kann jeder. Nur keine Angst. Rein mit der Nadel in das Fleisch. Was hat uns Dr. Matuc mitgegeben?«
    Irena packte den Karton aus und legte die Medikamente auf den Sitz. Sie las die Namen vor, bis Lucek nickte.
    »Das ist es. Wieviel Kubik?«
    »Fünf, Micha.«
    »Nimm eine der Einwegspritzen, säge die Ampulle ab, zieh

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