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Bluthochzeit in Prag

Bluthochzeit in Prag

Titel: Bluthochzeit in Prag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Sonne.
    Russen.
    Mit breitem Grinsen kamen sie näher. Es war Irena, als verbrenne in diesen Sekunden ihr Herz. Dann überfiel sie ein eisiger Hauch, und sie begann zu zittern.
    Die Sowjetsoldaten blieben stehen, drei Schritte von ihr entfernt.
    »Du Spion!« sagte der Anführer. »Muß untersuchen! Zieh dich aus, Frau –«
    Und der Lauf seiner Maschinenpistole zeigte genau auf den Nabel Irena Dolgans.

IX
    Es gibt in jedem menschlichen Leben einmal eine Situation, in der man in Sekundenschnelle eine Entscheidung treffen muß, ganz instinktiv, nicht mehr verstandesmäßig, nicht mehr abwägend, ob es nützlich ist oder verderblich. Es ist eine Ausnahmesituation, in der ein Mensch in höchster Not wie ein gehetztes Tier handelt, einzig nur aus dem Drang heraus, sich nicht tatenlos und wehrlos dem Übermächtigen zu beugen.
    So greift ein Hirsch die Hetzhunde an, ein Bär die Treiber, ein Wolf die ihn umzingelnden Jäger … und so griff auch Irena Dolgan den jungen Rotarmisten an, der die Hand nach ihrer Brust ausstreckte. Sie schlug mit den Fäusten auf ihn ein, entriß dem maßlos Verblüfften die Maschinenpistole, legte sie an und richtete sie auf die beiden anderen Sowjetsoldaten, die überrumpelt das wilde Mädchen mit großen Augen anstarrten.
    »Hände hoch!« schrie sie auf deutsch. Dabei krümmte sie den Finger am Abzug, und die Russen – ob sie nun deutsch konnten oder nicht – verstanden sie sofort und hoben zögernd die Arme. Der junge Soldat, dem sie die Waffe entrissen hatte, fluchte fürchterlich, aber auch er streckte die Hände hoch, den starren Blick auf den gekrümmten Finger Irenas geheftet.
    »Bleibt stehen!« sagte sie heiser. »Bleibt stehen oder ich schieße …«
    Die Soldaten verstanden sie anscheinend … mit verzerrten Gesichtern blieben sie dort, wo sie waren, rührten sich nicht und bewegten sich erst, als Irena etwa zehn Meter von ihnen entfernt war. Der hinterste der drei Sowjetsoldaten ließ seine Arme sinken und wollte seine MP herumreißen, aber Irena war schneller und drückte den Zeigefinger durch. Sie erschrak heftig, als das Ding in ihren Händen zu zittern und zu knattern begann und eine Garbe knapp an den drei Soldaten vorbei in die Büsche ratterte. Sofort streckten die drei die Hände wieder hoch, und diesmal ohne den Gedanken, das Mädchen doch noch zu überlisten. Sie schießt sofort, dachten sie. Sie ist ein blondes Teufelchen. Bei der Heiligen Mutter von Kasan –, sie versteht etwas davon! Sie schießt aus der Hüfte wie ein sibirischer Gardeschütze. Ein Partisanenweibchen ist es, verlaßt euch darauf, Brüderchen. Es hat keinen Sinn, dagegen etwas zu unternehmen.
    Irena Dolgan ließ den Finger am Drücker und ging weiter rückwärts. Fünfzehn Meter Zwischenraum. Sie hob die Maschinenpistole hoch, die jungen Russen schienen zu versteinern. Der vorderste, dem Irena die Waffe entrissen hatte, atmete tief und seufzend auf.
    »Lassen Sie läbben uns, Frau …«, schrie er Irena an. »Bittää …«
    Irena nickte. Sie sah sich schnell um. Hinter ihr gab es einen Weg, der wieder in ein Waldstück mündete. Er führte in eine andere Richtung als die, welche ihr Pilny auf der Karte gezeigt hatte. Der Pfad, der auf den Feldweg mündete, über den man die Straße nach Horni Vltavice erreichte, war durch die Russen gesperrt. Wohin der andere Weg durch den Wald führte, wußte sie nicht, aber es blieb ihr keine andere Wahl.
    Einen Augenblick durchzuckte sie der gräßliche Gedanke, doch den von Pilny vorgezeichneten Weg zu nehmen und die Sperre der drei Russenleiber mit der Maschinenpistole niederzufegen. Aber dann fror sie vor der eigenen Grausamkeit, warf sich blitzschnell herum, als sie den Waldrand erreicht hatte und begann zu laufen, so schnell sie konnte.
    Hinter sich hörte sie die drei Russen schreien. Dann knatterten Maschinenpistolengarben in den Himmel, eine grelle Pfeife ertönte, und plötzlich wurde es im Wald lebendig, eine Sirene heulte auf und ihr auf- und abschwellender, klagender und die Ohren zerreißender Ton hing über dem Wald wie der Aufschrei aus tausend Kehlen.
    Irena schleuderte die Waffe in den Wald. Den Kopf in den Nacken geworfen, den Mund offen und die Fäuste gegen die Brüste gepreßt, rannte sie um ihr Leben.
    Sie stolperte, fiel hin, raffte sich wieder auf und spürte, daß ihr Knie blutete. Nach ein paar Metern durchjagte ein stechender Schmerz vom Bein aus ihren Körper bis zum Gehirn, sie taumelte, lehnte sich an einen Baumstamm und sah

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