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Bluthochzeit in Prag

Bluthochzeit in Prag

Titel: Bluthochzeit in Prag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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schrie Valentina. »Wohin habt ihr ihn verschleppt? Ich will zu ihm, oder ich sage kein Wort mehr bis zu meinem letzten Seufzer! Und wenn ihr mich in die Bleibergwerke steckt … ich schweige! Wo ist er?«
    »Das wollen wir eben von Ihnen wissen, Valentina. Er konnte angeschossen flüchten. Aber er muß zu einem Arzt, er muß operiert werden … dadurch werden wir schnell wissen, wo und wer er ist. Alle Krankenhäuser werden überwacht.« Tschernowskij legte beide Hände auf das Foto und bedeckte das Gesicht Luceks. Valentina empfand es als eine Entweihung und preßte die Lippen zusammen. »Es kann allerdings auch sein, daß er so dumm ist, nicht zum Arzt zu gehen. Dann wird er verrecken. Es war so viel Blut im Lastwagen, daß er allein an diesem Verlust sterben wird. Beamte der politischen Polizei sind unterwegs, alle Ärzte in der Umgebung, wo der Wagen gefunden wurde, zu verhören. Auch werden die Bezirkskrankenhäuser in Kladno und Beroun überwacht. Er kann uns nicht entkommen! Er kann sich nur verkriechen wie ein Hund und sterben wie ein Hund. Willst du das?«
    Valentina Kysaskaja schwieg. Es war ein fürchterlicher, innerer Kampf, den sie durchrang. Da man den Fleischerwagen an der Obstplantage gefunden hatte, war es fast sicher, daß Micha wie verabredet Pilny und Irena getroffen hatte und beide nun für ihn sorgten. Was aber war geschehen, wenn Pilny nicht so lange warten konnte und weitergefahren war, bevor Micha eintraf?
    »Wo wollte er hin?« fragte Tschernowskij eindringlich.
    »Ich weiß es nicht«, sagte Valentina. Die Entscheidung war gefallen.
    »Du läßt ihn verrecken?«
    »Geschieht denn etwas anderes, wenn er in Ihre Hände fällt?«
    Tschernowskij nahm das Foto, zeigte es noch einmal Valentina, und sie sah es lange, abschiednehmend, mit zärtlichen Augen an. Dann zerriß er das Bild in kleine Fetzen und warf sie Valentina aus der geballten Faust ins Gesicht.
    »Das bleibt von ihm übrig!« schrie er. »Schnipsel, Dreck, Abfall! Und von Ihnen auch, Valentina Konstantinowna!«
    »Ich habe das mit einkalkuliert, Andrej Mironowitsch.« Es klang stolz und frei von aller Furcht. Sie schob die Haare wieder über die Schulter zurück und zog den Knoten des Bindfadens fester, der sie zusammenhielt. »Wo komme ich hin? Nach Sibirien?«
    Welch ein Weib, dachte Tschernowskij. Was wird von ihr übrigbleiben nach zwei, drei Jahren Eisstürmen in der Taiga? Nach 14 Stunden Arbeit im Bergwerk? Oder in einem Holzfällerlager, wo sie mit der Sapine die vereisten Stämme auf die Fuhrwerke drücken muß?
    Ihn schauderte bei diesem Gedanken. Er ließ Valentina im Zimmer stehen und ging hinaus. Sie sah sich nicht um – doch als die Tür zufiel, bückte sie sich und suchte in den Papierschnitzeln auf dem Boden. Sie fand ein Stück Foto, auf dem noch unversehrt ein Auge Luceks war. Sein großes, blaues, strahlendes Auge, in dem sie sich gespiegelt hatte, wenn sie unendlich glücklich waren.
    Sie nahm den Fetzen Papier, küßte ihn und steckte ihn in die Schale ihres linken Büstenhalters.
    »Nun bist du bei mir, Micha«, sagte sie leise und legte die Hände über ihre Brust. »Nun kommst du mit nach Rußland … in die Taiga –«
    *
    Für die 75 Kilometer bis nach Kralovice brauchte Pilny bis zum Morgengrauen. Er mußte auf Seitenwege und oft auch enge Pfade abbiegen, denn die normalen Straßen waren von sowjetischen Nachschubkolonnen verstopft. Einmal mußte er im Schutze des Waldrandes über eine Stunde warten, bis eine russische Gruppe aus zwei Panzern, zwei Munitionswagen und drei Lastautos mit Mannschaften ihre kurze Rast beendet hatte. Die Rotarmisten vertraten sich die Füße, rauchten, lachten, erzählten Witze und tranken dampfenden Tee, den sie auf einem Gaskocher im zweiten Mannschaftswagen kochten. Kaum siebzig Meter von ihnen, aufgesogen vom Schatten der Bäume und der Nacht, standen Pilny und Irena. Hinter ihnen im Wagen schlief Lucek. Irena hatte ihm eine der starken Schmerztabletten Dr. Matucs gegeben.
    »Was machen wir, wenn Russen in den Wald kommen?« flüsterte sie und schob sich neben Karel an die Kühlerhaube.
    Pilny schwieg. Er wollte nicht an diese Möglichkeit denken. Er betete im stillen, daß es keinem der jungen Rotarmisten einfallen möge, in den Wald zu gehen, um sich die Hosen herunterzuziehen. Pinkeln taten sie so ungeniert, wie es Männer tun, wenn sie unter sich sind. Sie stellten sich hinter die Fahrzeuge und plätscherten in die Nacht.
    Endlich, nach einer Stunde, hallten Befehle

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