Blutige Fehde: Thriller (German Edition)
zu und fing an, sie hinaufzusteigen. Lennonfolgte ihm, schob sich an ihm vorbei und nahm trotz seiner wackligen Beine zwei Stufen auf einmal. Hinter ihm beschleunigte auch Fegan seinen Schritt. Hart und schwerfällig schepperten seine Füße auf den eisernen Stufen.
Lennon erreichte die oberste Plattform und hastete zur Tür. Wie bei dem Notausgang unter ihnen, war es auch hier eine alte Holztür mit Glasscheiben. Mit dem Griff der Pistole zertrümmerte er eine Scheibe und griff hinein. Während er noch am Türschloss herumtastete, schlug schon die Hitze an seine Hand. Lennon drückte die Tür auf und duckte sich. Eine brüllend heiße, schwarze Wolke quoll nach draußen.
Fegan hatte die Plattform ebenfalls erreicht und taumelte an Lennon vorbei in die Dunkelheit hinein.
Lennon folgte ihm. »Welches Zimmer?«, rief er Fegan zu. Rauch geriet ihm in die Lunge, und er kauerte sich hustend hin, sein ganzer Brustkorb brannte.
»Das hier«, rief Fegan. Er öffnete die erste Tür und warf sich hinein.
Lennon kroch auf die Tür zu. Durch die schwarzen Wirbel hindurch sah er ein paar Meter weiter vorne im Flur einen Mann liegen, möglicherweise eine der Wachen, entweder bewusstlos oder tot. Lennon kroch durch die Tür und fand Fegan, der an die Wand gekauert dasaß, das Gesicht ausdruckslos. Er starrte hinab auf seine schwer atmende Brust. Tränen vermischten sich mit dem Blut auf seinem Gesicht.
Marie McKenna lag ausgestreckt auf einem Bett. Ihr Pullover war rot durchtränkt, die Haut aschfahl. Ellen lag neben Fegan auf dem Boden. Sie hatte die Augen geschlossen und die Lippen leicht geöffnet.
»Mein Gott«, flüsterte Lennon. »Mein Gott, nein.«
Er kroch zu Marie und nahm ihre Hand. Die Kälte fuhr ihm bis ins Herz. Die Haut ihrer Finger war trocken wie Papier. Lennonwurde schlecht. Er schluckte Galle und konnte sich nur mit aller Kraft konzentrieren. Er streckte eine Hand nach Ellen aus und strich ihr mit den Fingern über die Wange.
Noch warm.
Er drückte ihr ein Ohr an die Brust. Alles andere blendete er aus, das knisternde Feuer, das ferne Heulen der Rauchmelder. Er lauschte nur. Und da … vielleicht … die schwache Andeutung eines Herzschlags.
Er sah zu Fegan hoch. »Ich glaube …«
Fegan saß zusammengesackt da.
Lennon beugte sich so weit hinunter, dass seine Wange nur noch einen Zentimeter vor ihrem Mund war. Ein schwacher Lufthauch strich ihm über die Haut, süß und warm.
»Sie lebt«, rief er.
Fegan lächelte. »Nehmen Sie die beiden mit. Machen Sie, dass sie hier rauskommen.«
Lennon ergriff noch ein Mal Maries Hand, drückte ihre kalten Finger und flüsterte: »Es tut mir leid.«
»Gehen Sie«, rief Fegan.
Lennon hob das Kind auf die Arme und stand auf. »Sie können hier noch herauskommen. Es sind nur ein paar Schritte.«
»Es geht nicht«, antwortete Fegan. »Ich bin müde. Ich will schlafen. Das war alles, was ich überhaupt je wollte. Schlafen.«
In einem Arm hielt Lennon Ellen, mit dem anderen packte er Fegan am Kragen. Fegan schlug seine Hand weg.
»Nein.« Er hustete und keuchte. »Mein Gott, jetzt verschwinden Sie endlich. Lassen Sie mich schlafen.«
Lennon nickte und drückte Ellen an sich. Er wandte sich ab und ließ Fegan im Zimmer zurück. Der Rauch im Flur war inzwischen dicht wie eine Wand, nur ein schwaches, nebliges Licht verriet ihm noch, wo der Ausgang war. Er duckte sich so tief wie möglich und rannte darauf zu.
Noch bevor er den Griff um sein Fußgelenk bemerkte, raste schon der Fußboden auf ihn zu. Er federte den Sturz mit den Unterarmen ab, der Schmerz schoss von den Ellbogen aufwärts. Mit Mühe konnte er verhindern, dass er Ellen erdrückte.
Große, harte Pranken griffen nach seinen Beinen. Lennon konnte nicht sagen, ob da jemand zu entkommen versuchte oder ihn zurückhalten wollte. Er trat zu, sein Fuß traf auf etwas Riesiges, Unbewegliches. Dann packten die Hände wieder zu.
Verzweifelt versuchte Lennon sich loszureißen. Er warf einen Blick zurück und sah in Bull O’Kanes rußschwarzes Gesicht, die irren Augen weit aufgerissen, die Zähne gebleckt.
Bull schrie etwas, aber da traf Lennons Fuß auch schon auf sein Kinn.
101
Fegan wusste selbst nicht, was ihn in Bewegung setzte. Was war mit ihm geschehen, dass er auf einmal leben wollte? Vielleicht war es ja die Angst, zu verbrennen, obwohl er eigentlich wusste, dass ihm lange vor den Flammen schon der Rauch den Rest geben würde. Was auch immer es war, plötzlich stand es ihm glasklar vor Augen.
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