Blutige Küsse und schwarze Rosen
kann“, fuhr Nico ungeachtet Elias’ Bitte fort. „Vergiss nur eines nicht: Sie ist zumindest ein weibliches Wesen und –“
„Ich kann mich übrigens genauso wenig daran erinnern, dich je mit einer Freundin gesehen zu haben“, konterte Elias, der im nächsten Moment zusammenfuhr, als ein Luftballon irgendwo in der kleinen Halle zerplatzte. Seinen Kumpel in die Arme einer Frau zu treiben, war das Letzte, das er vorhatte. Aber er wollte die leidige Unterhaltung um jeden Preis von sich weg lenken.
„Das würde bei mir nicht gut gehen.“
Da war sie: Nicos Standardantwort. Wann immer das Thema zur Sprache kam, schien er der Auffassung zu sein, dass er beziehungsunfähig war. Dabei war das schlichtweg unvorstellbar. Alle Mitstudentinnen himmelten ihn an – vielleicht mit Ausnahme von Amelie. Sie alle lagen ihm zu Füßen und ließen sich auch nicht von Nicos distanzierter Art abschrecken. Das Gegenteil war der Fall. Je mehr Elias’ Kumpel ihnen die kalte Schulter zeigte, desto schneller schmolzen sie dahin. Es schien bloß eine Frage der Zeit zu sein, bis eine von ihnen zu Nico vordrang und den Platz an seiner Seite einnahm. Schließlich hatte er wie jeder Mann Bedürfnisse und irgendwann würde der Moment kommen: Nico stellte ihm eine so umwerfende Frau vor, dass Elias seine gelegentlichen Überlegungen, Nico könne womöglich nichts für das andere Geschlecht übrig haben, beschämt und endgültig verwarf. Ohnehin waren diese Überlegungen völlig abwegig. Nie hatte Nico einem Mann auch nur nachgesehen oder sonst irgendwelche Anzeichen dafür gezeigt, schwul zu sein. Er würde niemals einen Mann begehren können.
Missgestimmt schob Elias diese schmerzlichen Gedanken von sich, die seine Laune seit Jahren regelmäßig zu kippen drohten. Allein die Tatsache, dass Nico, wie von ihm angedacht, die Lust an diesem Gespräch – jetzt, da es ihn betraf – verloren hatte, stimmte Elias erleichtert.
„Du hast gar nicht gefragt, wo mein Geschenk für dich ist“, meinte er stattdessen, sah Elias gespielt vorwurfsvoll an und brachte ihn damit zum Grinsen.
Er hatte nicht danach gefragt, da er Nico kannte. Es war nicht seine Art, zu einem Geburtstag zu kommen und das Geschenk zu überreichen, wie jeder andere es tat. Das wäre viel zu gewöhnlich gewesen. Und das war nun wirklich das Letzte, was man von Nico behaupten konnte: dass er gewöhnlich war.
„Halt dich fest. Hier kommt es!“
Elias beobachtete seinen Freund dabei, wie der sich stocksteif vor ihm aufstellte und salutierte.
„Eine förmliche Begrüßung, klasse“, kommentierte Elias amüsiert, während Nico etwas aus seiner Jeanstasche fummelte.
„Das ist natürlich noch nicht alles!“, sagte der feixend und drückte ihm ein kleines, zusammengefaltetes Foto in die Finger. „Da haben wir’s. Das ist nun alles!“
Verunsichert entfaltete Elias das dicke Papier und schwieg vor Rührung, als er sich und seinen Freund darauf erkannte. Es handelte sich um eine Aufnahme, die vor fast drei Jahren bei den Vorbereitungen für eine Semesterfeier entstanden war, welche die beiden im Nachhinein nicht einmal besucht hatten, da dies Nico wie so oft gegen den Strich gegangen war. Alle Kommilitonen hatten mit anpacken müssen, aber die Fotografie zeigte nur Nico und Elias. Sie hatten sich im Laufe des Nachmittags immer mehr zurückgezogen und in endlose Gespräche vertieft. Für Elias war es, als sei es gestern gewesen.
„Das war der Tag, an dem wir das erste Mal so richtig miteinander geredet haben. Wir haben uns auf Anhieb verstanden.“
„Und du hast mir stundenlang von deiner Leidenschaft für Vampire erzählt!“
Bei Nicos Einwurf lachte Elias laut auf, verteidigte sich aber prompt: „Du hattest mir gar keine andere Wahl gelassen, hast mich mit Fragen zu meinem Aussehen und Verhalten gelöchert!“
Nicos Interesse hatte Elias überrascht und damals unsagbar gut getan. Zwar hatte sein Freund kein Geheimnis daraus gemacht, dass er diese Begeisterung für Vampire nicht teilte, doch er war der Erste gewesen, der sich nicht darüber lustig gemacht hatte.
Gedankenversunken strich Elias das Foto entlang. „Ich wusste gar nicht, dass damals Bilder geschossen wurden. Warum hast du es nicht eingerahmt?“
Nico schüttelte den Kopf. „Weil das nicht das eigentliche Geschenk ist. Es ist nur eine Momentaufnahme, die es dir erleichtern soll, einen bestimmten Wunsch auszusprechen.“ Er musste Elias’ Verwirrung bemerkt haben, denn er fuhr gleich fort: „Lass
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