Blutige Nacht
immer, es ist schon ziemlich spät«, sagt der Typ und gibt vor, auf die Uhr zu sehen. »Ich gehe wohl besser zurück in mein Hotel. Hab gleich morgen früh ein Seminar.«
Er will gerade zur Tür zurückgehen, als Callie-Dean ihn aufhält, indem sie nach einer seiner behaarten Pfoten greift. Sie starrt ihm in die Augen und imitiert gar nicht einmal so übel mein hypnotisches Starren. »Warte. Erinnerst du dich an all die Sachen, über die wir im Club gesprochen haben? All die Sachen, die du mit mir machen wolltest? Das kannst du auch. Sogar umsonst. Wirklich alles davon. Das Einzige, was du tun musst, ist, ihn vorher loszuwerden.« Sie deutet mit ihrem spitzen kleinen Kinn in meine Richtung.
Der Waschlappen sieht herüber und schätzt mich ab. Er ist hinund hergerissen. Ich zucke nur erneut mit den Schultern, zünde mir eine neue Zigarette an und warte ab, was dabei herauskommt.
Der Waschlappen lehnt sich zu ihr und flüstert ihr ins Ohr: »Sogar das eine? Das, wofür ich nicht genug Geld hatte?«
Callie-Dean nickt. »Okay, einverstanden, aber dafür musst du ihn leiden lassen. Ich will etwas brechen hören.« Das sagt sie zu ihm, aber es ist an mich gerichtet.
Der Waschlappen nickt, reicht ihr seine Jacke, setzt seine aggressivste Fresse auf und sieht mich an. »Du hast das Mädchen gehört. Du bist hier nicht erwünscht. Zeit zu gehen.« Er macht einen Schritt auf mich zu, die Brust aufgeblasen wie ein Hahn beim Hahnenkampf. Irgendwie passt das hierher.
»Du machst hier einen Fehler, Kumpel«, sage ich ihm. »Du hast getrunken. Du kannst nicht mehr klar denken. Eine billige Nutte wie sie ist das alles nicht wert. Da springt nichts für dich raus. Entweder beziehst du Prügel, oder du bekommst irgendeine Geschlechtskrankheit. Ganz egal, wie es ausgeht, du verlierst in jedem Fall. Also warum bist du nicht einfach schlau, gehst zurück in dein Hotel und schläfst deinen Rausch aus, hm?«
»Mach ihn fertig, Tom«, presst Callie-Dean zwischen ihren weißen Beißerchen hervor. »Reiß ihm den verdammten Kopf ab.«
Ich stelle fest, dass die Vorstellung von all den Dingen, die Callie-Dean tun wird und die Toms Frau nicht tut, ihn zu einer Entscheidung geführt hat. Ich warte darauf, dass er mich angreift. Als er es tut, trete ich vor und treffe ihn auf halbem Wege. Was auch immer Tom vorhatte, er kommt nicht dazu, es auszuführen, weil ich mich nach hinten beuge und dann mit Schwung die Stirn auf seine Nase knalle. Sie bricht mit einem satten Geräusch. Blut spritzt daraus hervor wie die Druckwelle aus einer doppelläufigen Flinte. Tom umklammert seine gebrochene Nase und bricht mit einem jämmerlichen Heulen auf dem abgenutzten, von Wollmäusen übersäten Teppich zusammen.
Warum nur nimmt keiner einen guten Rat an, wenn er ihn bekommt?
Der Geruch nach Blut entfacht ein Feuer in meinen Eingeweiden. Ich versuche mein Möglichstes, das Unmögliche zu ignorieren, beuge mich nach vorn, packe Tom an einem seiner dicken Arme und helfe ihm auf. »Auf geht’s, Tom.«
»Schau mal, was du mit mir gemacht hast«, stammelt er ungläubig wie ein kleiner Junge, während ich ihn zur Tür bringe.
»Ja, das stimmt«, sage ich, »das ist nicht lustig. Aber hier wird nichts Besseres für dich herausspringen. Wenn du also keine zweite Abreibung bekommen willst, schlage ich vor, du gehst zurück ins Hotel und vergisst, dass du jemals hier gewesen bist. Wie hört sich das an?«
Tom nickt, die Zehn-Dollar-Krawatte in dem Versuch, das Blut zu stoppen, an die Nase gedrückt. Sieht gut aus. Sieht sogar richtig gut aus. Ich öffne die Doppeltür für ihn und schicke ihn mit einem freundschaftlichen Klaps auf den Rücken nach draußen.
Als ich die Tür schließe, ist Callie-Dean nicht mehr da.
Ich finde sie in ihrem Schlafzimmer, wo sie das zuckerwattepinkfarben bezogene Bettzeug auf der Suche nach etwas weggezogen hat.
»Suchst du danach?«, frage ich und ziehe die schwarze Beretta, die ich während meiner eigenen Suchaktion zwischen Matratze und Bettkasten gefunden habe, aus dem Bund meiner Hose und zeige sie ihr.
Als sie sieht, dass ich ihre Waffe habe, hält Callie-Dean mit allem inne; ihr Gesicht ist angespannt und umso hässlicher. Dann verändert sich ihr Erscheinungsbild von einem Moment auf den anderen so grundlegend wie ein Chamäleon auf einem Zweig, als sie von der einen tödlichen Waffe ablässt und sie gegen die andere eintauscht, die sie zur Verfügung hat: Sie lächelt verführerisch.
»Weißt du, du bist ganz
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