Blutige Rache: Wegners schwerste Fälle (German Edition)
garantiert schon angekommen.«
»Ich werde noch verrückt. Dass dieser dämliche Innenminister sich gesträubt hat – am liebsten würde ich runterfliegen und dem Kerl ...«
»Ich weiß, Manfred. Aber helfen dürfte das am Ende auch keinem.«
Wegners Telefon klingelte. Wie ein Derwisch hastete er zu seinem Schreibtisch herüber und riss den Hörer hoch.
»Bruno hier! Guten Morgen, Herr Hauptkommissar.«
»Ist jetzt schlecht, Bruno. Was gibt es denn?«
»Dann nur kurz: Ihr Falke bläst zum Sturm. Heute Abend soll der größte Teil meiner Läden in Flammen aufgehen. Außerdem gibt es einen ganz konkreten Auftrag, mich und meine Männer wenn möglich auszulöschen.«
Wegner überlegte einen Moment lang. »Geben Sie mir noch `ne Stunde, dann melde ich mich zurück. Was ich tun kann, das werde ich tun.«
***
»Ich kann nicht?« Sally funkelte ihre Lehrerin giftig an. »Ich kann nicht? Das soll wohl ein schlechter Scherz sein.« Sie machte einen weiteren Schritt auf Frau Schuster zu, sodass sich jetzt fast ihre Gesichter berührten. »Ich werde! Es gibt nichts, was ich noch zu verlieren habe, außer den letzten kleinen Funken Selbstachtung. Also gehen Sie mir aus dem Weg, wenn Sie nicht auch sterben wollen.«
Stefanie Schuster überlegte. Sie erinnerte sich an einen Bericht, den sie vor Jahren im Fernsehen verfolgt hatte. Wenn ein Soldat in der Ausbildung einen Fehler macht und statt der Granate den Sicherungsring davonwirft, dann ist es Aufgabe des Vorgesetzten, sich auf den Sprengsatz zu werfen und damit seine Untergebenen zu schützen.
Aber sie war nicht bei der Bundeswehr und erst recht keine Vorgesetzte. Trotzdem unterstanden diese Kinder ihrem Schutz und ihrer Verantwortung – alle.
Wie sollte man als Lehrerin in einer solchen Situation reagieren?
Was würde man von ihr in einem Moment wie diesem erwarten?
Aber vor allem – was erwartete sie selbst von sich?
»Nein! Ich werde nicht beiseite gehen und zulassen, dass du hier deinen eigenen Krieg führst. Für das, was du tun willst, gibt es keine Rechtfertigung. Ich bleibe!« Jetzt machte die Lehrerin einen weiteren Schritt auf Sally zu und umklammerte diese mit eisernem Griff.
In der Klasse war es totenstill. Selbst eine Nadel, die auf den schmutzigen Linoleumboden gefallen wäre, hätte man unschwer gehört. Dann zerriss ein Klicken die Stille, das in seiner Endgültigkeit und Tragweite kaum zu überbieten war. Die Schüler konnten sehen, dass Frau Schuster ihre Mitschülerin jetzt mit zitternden Armen noch fester als zuvor umklammerte. Die Sekunden verstrichen als ob jede einzelne eine Ewigkeit wäre. Jeder zählte im Kopf mit, ohne zu wissen, wie lange es dauern würde. Als man zuerst bei fünf, dann bei zehn und kurz darauf sogar bei fünfzehn ankam, machte sich eine weitere Gewissheit breit.
»Ein Blindgänger«, flüsterte einer der Jungen und löste damit die drückende Stille auf. Durch die im Handel erhältlichen Kriegsspiele sind heute bereits die meisten Zwölfjährigen ausgemachte Waffenexperten.
Frau Schuster löste die Umklammerung ein wenig und nahm der völlig erstarrten Sally jetzt die Handgranate vorsichtig aus der Hand. »Raus hier!«, brüllte sie die Schüler an. »Raus! Sofort!«
***
»Das war der Münchener Kampfmittel-Räumdienst. Sie haben eine Handgranate sichergestellt – einen Blindgänger.« Hauser hatte gerade aufgelegt und atmete jetzt erleichtert aus. »Der Beamte meint, dass es sich um ein Überbleibsel aus russischen Beständen handelt. Da war jede zweite Granate nur wie ein nasser Knallfrosch.«
Wegner ließ sich in seinen Stuhl sinken und schaute seinen Kollegen mit einer Mischung aus Erleichterung und Verzweiflung an. »Vielleicht bin ich mittlerweile einfach zu alt für diesen Job. Die Magensäure steht mir bis zur Unterlippe.«
»Es könnte aber auch an dem Fastfood liegen, das du permanent in dich hineinstopfst. Will Vera irgendwann wieder mit dem Kochen anfangen?«
»Ich hoffe nicht!«, prustete Wegner schon etwas munterer. »Gestern Abend hab ich selbst noch `ne Flasche Schmelzflocken geleert. Man muss ja wissen, was man seinem Kind da antut.«
»Und?«
»Danach war das Sodbrennen zumindest besser.«
Hauser schaute seinen Chef nur an, verkniff sich vorsichtshalber aber jegliche Antwort und wechselte stattdessen lieber das Thema: »Was ist eigentlich mit Bruno?«
»Ich hab keine Ahnung! Er faselt etwas von Falke und dass der wohl einen Krieg auf dem Kiez sucht.«
»Dann hast du ihm also von
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