Blutige Seilfahrt im Warndt
Deutlich rief gerade Paolo Tremante: »Woher wissen die Bullen vom Schacht Lauterbach?«
»Keine Ahnung! Jedenfalls ist dieser Ausgang für uns jetzt tabu«, brummte Rach. »Polizeibeamte bewachen den Ausgang Tag und Nacht, wie Siggi mitbekommen hat, als diese verdammten Bullen bei ihm herumgeschnüffelt haben. Er hatte sich gut versteckt. Sie konnten ihn nicht sehen, deshalb haben sie laut über Schacht Lauterbach gesprochen.«
»Das können sie nur von einem von uns erfahren haben«, ertönte die hektische Stimme von Tremante.
»Ach was«, wehrte Rach ab. »Wir halten zusammen – schon vergessen?«
»Du hast wohl vergessen, wer neu dazugekommen ist. Wissen wir, was Tony die letzten Jahre gemacht hat?«
»Stimmt!«, brummte Rach. »Erzählen kann er uns viel.«
Grewe beschloss, nicht mehr weiter zu lauschen, sondern an seinen Platz zurückzukehren. Er nahm sich vor, mit Schnur darüber zu sprechen, ob er wirklich noch weiter undercover arbeiten sollte. Sein Mut verließ ihn. Die Schlinge zog sich immer enger um seinen Hals. Auch die Tatsache, dass ausgerechnet Michael Bonhoff nicht zur Schicht erschienen war, obwohl er wusste, in welcher Situation sich Grewe befand, machte ihn misstrauisch. Schon seit Tagen wusste er nicht mehr, wo er mit seinem Freund dran war. Das machte ihn fertig. Er musste ehrlich zu Schnur sein. Und zu sich selbst.
Er hatte Angst.
Mit diesem Entschluss drehte er sich um und wollte seinen Rückzug antreten. Doch plötzlich spürte er einen heftigen Ruck und die Dunkelheit wurde noch schwärzer vor seinen Augen. Auch das Atmen fiel ihm schwer.
Erschrocken wollte er sich die Augen reiben, doch er konnte seine Arme nicht mehr bewegen. Jemand riss sie ihm nach hinten. Dann spürte er einen schmerzhaften Schlag auf seinen Kopf und versank im Nichts.
Vorsichtig betraten Jürgen Schnur und Erik Tenes jeden Raum von Michael Bonhoffs Wohnung in der Heuduckstraße und besahen sich das Chaos, das die Kollegen der Spurensicherung angerichtet hatten. Trotz der umgestülpten Schubladen, der leergeräumten Küchenschränke und der puderüberzogenen Flächen, um Fingerabdrücke zu sichern, konnten sie erkennen, dass diese Wohnung stilvoll eingerichtet war. Der Tisch glänzte schwarz, die Tischbeine verchromt. Die Couchgarnitur im benachbarten Wohnzimmer bestand aus teurem Leder, das nicht nur bequem wirkte, sondern auch geschmackvoll aussah. Die Holzelemente zierte eine aufwendige Maserung. Die Lampen waren mit Kristall veredelt, was dem Licht Glitzereffekte verlieh. Leonardo-Vasen und indische Skulpturen standen in allen Ecken, auf Regalen, auf Kommoden und auf dem Boden.
Schnur schaute sich fasziniert um, bis er bemerkte, dass Erik nicht mehr neben ihm war. Verwundert suchte er nach dem Kollegen und fand ihn im Schlafzimmer vor einem großen Bild, das an der Wand am Kopfende des Betts prangte. Darauf war Michael Bonhoff abgebildet, wie er sich fast nackt auf einem Sofa räkelte. Lediglich ein schmales Stück Stoff bedeckte sein Geschlechtsteil. Dieses Tuch berührte er mit einer Hand, dabei setzte er einen Blick auf, als wollte er es jeden Augenblick entfernen und sich der Kamera hüllenlos präsentieren.
Erst als Schnur sich räusperte, zuckte Erik erschrocken zusammen. Wie ertappt sah er aus. Verwundert schaute Schnur auf den Mitarbeiter und fragte: »Was denkst du?«
Erik überlegte, bevor er antwortete: »Ich komme mir wie ein Eindringling vor. Bonhoff wirkt auf mich nicht wie ein Bergmann, der es nötig hat, durch schäbige Geschäfte seine Rente aufzubessern. Und überhaupt … Bonhoff wirkt auf mich gar nicht wie ein Bergmann.«
»Willst du damit sagen, dass wir hier auf der falschen Spur sind?«, hakte Schnur nach.
»Es ist nur eine Ahnung«, wich Erik erschrocken zurück.
Schnur rieb sich über sein Kinn, murmelte etwas, bis er endlich meinte: »Ich gebe zu, dass ich selbst an dieser Geschichte meine Zweifel habe. Das kommt wohl daher, dass wir den Mann auf eine Art kennengelernt haben, die diesem Bild total widerspricht.«
Erik nickte.
»Aber die Fakten sind unwiderlegbar. Sie sind da. Und die dürfen wir nicht ignorieren, nur weil wir in Bonhoff einen der Guten sehen wollen.«
Sie verließen das Schlafzimmer und ließen sich von einem der Spusis die Fundstelle zeigen. Das ganze Geld lag noch an dem Platz hinter der Küchenzeile in einer Ecke. Die Spusis hatten es so liegen lassen, wie es aufgefunden worden war, bis der Leiter der Ermittlungen alles sehen und für die
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