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Blutige Seilfahrt im Warndt

Blutige Seilfahrt im Warndt

Titel: Blutige Seilfahrt im Warndt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Schwab
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sicher. Deshalb machen wir die Kontrolle über diese Fahrmarken«, antwortete der Schachthauer.
    Schnur schaute auf den Anschläger, der die Signale zur Seilfahrt gibt und fragte. »Können Sie sich erinnern, Michael Bonhoff in dem Korb auf der Fahrt nach unten gesehen zu haben?«
    »Nein! Tut mir leid. Bei Schichtbeginn und Schichtende ist der Korb immer sehr voll, sodass ich nicht auf einzelne Gesichter achten kann«, gab der junge Mann zu verstehen.
    »Also besteht die Möglichkeit, dass Bonhoff die Fahrmarke abgegeben hat, ohne hinunterzufahren?«
    »Schwer vorstellbar«, zweifelte der Schachthauer. »Ich sammle diese Marken doch direkt am Korb ein. Wenn sich da jemand umdreht und in die andere Richtung geht, fällt mir das auf. Und so etwas ist heute Morgen nicht passiert.«
    »Und wenn ein Bergmann zwei Fahrmarken abgibt?«
    »Das würde mir auch auffallen.«
    »Dann hat er die Fahrmarke gestern Mittag nicht abgeholt, um heute Morgen den Eindruck zu erwecken, mit den Kameraden zur Schicht gefahren zu sein«, spekulierte Schnur weiter.
    »Warum gestern? Da hat er seine Fahrmarke abgeholt, um die Grube zu verlassen. Und heute Morgen hat er sie abgegeben, um einzufahren.«
    »Woran erkennen Sie, wann welche Fahrmarke abgegeben worden ist? Steht da eine Uhrzeit drauf?«
    Die Bergmänner lachten und der Schachthauer antwortete: »Die Fahrmarken der Früh-, Mittag-und Nachschicht haben unterschiedliche Farben. Jeder Mann hat drei andersfarbige Fahrmarken. Für jede Schicht gibt es eine große Nadel, auf der alle Fahrmarken aufgehängt sind. Fährt er später aus, muss er sich die Fahrmarke in der Lampenstube persönlich holen kommen.«
    »Also ist Bonhoff unten. Rufen Sie ihn bitte an den Apparat!«, bestimmte Schnur. »Und wenn Sie gerade dabei sind, möchte ich auch mit Anton Grewe sprechen.«
    Der Personalsachbearbeiter schaute zerknirscht drein, als er meinte: »Ich habe schon mehrere Male unten angerufen. Aber niemand weiß, wo Mimose oder Tony stecken. Und Schorsch wurde auch schon seit einer Weile nicht mehr gesehen.«
    »Ist das üblich, dass Sie dort unten Ihre Männer nicht mehr auftreiben können?«, hakte Schnur nach, dem plötzlich unwohl wurde.
    »Eigentlich ist es unüblich, dass wir so oft unten anrufen«, wich der Beamte aus.
    »Sie wissen genau, was ich meine«, grummelte Schnur.
    Ein Kopfschütteln war die Antwort.
    »Also läuft dort unten etwas außer der Reihe.«
    »Nein! Es ist Freitag. Da treffen sich die Kameraden schon mal unter Tage für ein Schwätzchen«, beschwichtigte der Schachthauer.
    »Haben Sie schon bei den Kleiderkörben nachgesehen, ob Mimose oder Tony ihre Bergmannskluft oder ihre Straßenkluft tragen?«, schlug der Personalsachbearbeiter plötzlich vor.
    Die Kleiderkörbe hatte er vergessen. Und nicht nur er – sie alle. Das gehörte nicht zu ihrem normalen Rhythmus, weshalb es in ihren Überlegungen einfach nicht vorkam.
    »An wen muss ich mich dafür wenden?«, fragte er.
    »Normalerweise an den Badewärter. Aber da der auch nicht aufzutreiben ist, gehe ich mit Ihnen dorthin. Ich habe einen Universalschlüssel.«
    Sie verließen das warme Büro und überquerten im kalten Oktoberwind den großen Platz der Tagesanlage der Grube Warndt. Die Waschkaue bot ihm einen Anblick, den er nicht erwartet hatte. Eine Halle, die nur zum Duschen vorgesehen war. Direkt im Anschluss daran gelangten sie in einem Raum, dessen gesamtes Inventar an der Decke hing. Die Kleiderkörbe bestanden aus Gittern, sodass der Inhalt schon von unten zu erkennen war. An einigen hingen Bergmannskluft und Helm, andere waren leer.
    Der Beamte suchte die passenden Nummern heraus und ließ die Körbe herunterfahren.
    Beide waren leer, was bedeutete, dass Michael Bonhoff und Anton Grewe unter Tage waren.

    Eiseskälte riss ihn ins Bewusstsein zurück.
    Grewe schnappte vor Schreck nach Luft, riss die Augen auf und schaute direkt in das Gesicht von Georg Remmark. Er spürte, wie die Kälte über seine Oberkörper und beide Arme rann. Kaltes Wasser.
    »Na, Tony! Bist du endlich wach?«
    Grewe hatte immer noch Mühe, nach Luft zu schnappen.
    »Bist du schon mit deiner Weisheit am Ende? Das ging aber schnell.« Remmark hielt seinen Kopf schief und meinte: »Nicht weinen. Mich darf man halt nicht unterschätzen, Herr Kriminaloberkommissar Anton Grewe.«
    Am liebsten wäre Grewe im Boden versunken. Er hatte seinen Einsatz doch tatsächlich versiebt, hatte versagt. Die Mordfälle würden nun nicht mehr aufgeklärt werden.

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