Blutige Seilfahrt im Warndt
steckte.
»Kriminalhauptkommissar Schnur«, meldete er sich förmlich.
Doch die Stimme, die er zu hören bekam, gehörte nicht seiner Frau. Er wollte erleichtert aufatmen, als ihm der Atem stockte. Die Nachricht, die an sein Ohr drang, klang interessanter als alles, was er bisher über diesen Fall gehört hatte. Ein Beamter der Außenstelle Burbach meldete ihm, dass in der Wohnung von Michael Bonhoff eingebrochen worden war.
»Konnten Sie den Täter festnehmen?«, fragte Schnur
»Leider nein! Wir kamen nur um ein paar Minuten zu spät.«
»Wer hat den Einbruch gemeldet?«
»Eine Nachbarin, die gerade zur Arbeit fahren wollte.«
»Hat sie den Täter gesehen?«
»Nein! Sie hat aber so laut geschrien, dass sie ihn vermutlich in die Flucht geschlagen hat.«
»Was soll das heißen?«, fragte Schnur stutzig.
»Dass er keine Beute machen konnte. Wir haben viel Geld in der Wohnung gefunden.«
»Ich bin sofort da.«
Hastig räumte Schnur seine Rasierutensilien in den Schrank, bevor er in den Flur rannte und nach Erik suchte. Er ahnte, wo er den Beamten finden konnte. In Anke Deisters Zimmer beim Kaffeetrinken.
Ohne anzuklopfen stürmte er hinein und rief: »Wir haben den Hinweis aller Hinweise! Bei Micheal Bonhoff wurde eingebrochen. Erik, du fährst mit mir. Anke und Andrea, ihr ruft in Velsen an und findet heraus, ob er gerade dort ist. Wenn ja, soll er ausfahren und uns erklären, welche Rolle er in diesem Spiel spielt.«
Anke verschluckte sich an ihrem Kaffee, als sie Schnurs Worte hörte. Es lag gerade mal drei Tage zurück, dass Michael Bonhoff zusammen mit Grewe in Schnurs Büro gesessen und allen beteuert hatte, den Kollegen nicht im Stich zu lassen.
Wenn das ein falsches Spiel gewesen war, dann war Bonhoff der beste Schauspieler, den Anke je gesehen hatte.
Ihre Angst um Grewe ließ sie den Kaffee nicht mehr austrinken, sondern sofort in Andreas Büro laufen. Auch die Kollegin wirkte blass und schaute Anke mit angstvollen Augen an.
»Können wir uns in diesem Mann so getäuscht haben?«, fragte sie.
Anke zuckte mit den Schultern. Sie wusste es selbst nicht. Der Gedanke, einen hinterhältigen Gauner sogar nach stundenlangem Gespräch nicht demaskiert zu haben, machte sie fertig.
»Ich würde sagen, wir machen jetzt das, was der Chef uns aufgetragen hat«, schlug sie mit einem schiefen Grinsen vor. »Sollte er noch unter Tage sein, weiß er nicht, was hier oben passiert ist. Dann wird er unserer Bitte ahnungslos folgen.«
»Du hast recht«, stimmte Andrea zu.
Die beiden Frauen brachen auf.
Die Stimmung im Wagen war gedrückt. Anke saß nun das erste Mal allein mit der neuen Kollegin auf engem Raum zusammen. Das Autoradio war ausgeschaltet, weil sie jedes Wort hören wollten, das über Funk gesendet wurde. Aber auch dort herrschte gerade absolute Stille. Doch zur Ruhe kam Anke trotzdem nicht, denn Andrea fuhr wie eine Wahnsinnige.
»Kann es sein, dass du wütend bist?«, fragte sie, als in der Kurve die Reifen quietschten.
»Nein! Ich will nur keine unnötige Zeit verlieren.«
»Das geht auch ein bisschen langsamer!«
»Keine Sorge! Ich kann Autofahren.« Andrea grinste und schnitt rasant die nächste Kurve. »Ich war mal Meisterin im Tourenwagenrennen. Ist zwar schon lange her, aber man verlernt sowas nicht.«
Anke war sich nicht sicher, ob sie das beruhigen sollte. Erst als ihre Augen den Monolith aus Beton erfassten, in dem sich der Förderturm der Grube Warndt befand, spürte sie Erleichterung. Als sie auf den Parkplatz einbogen, stellte sie klar: »Zurück fahre aber ich.«
»In Ordnung.« Andrea lachte so entwaffnend, dass Anke ihren Groll sofort wieder vergaß. Sie stiegen aus, passierten das Pförtnerhaus mit vorgezeigten Dienstausweisen und steuerten das Büro an. Als sie ihre Bitte vortrugen, sich mit Michael Bonhoff unter Tage in Verbindung zu setzen, wurden sie an den Schachthauer verwiesen, weil der die Fahrmarken einsammelte. Doch die beiden Frauen konnten den Personalsachbearbeiter schnell davon überzeugen, von seiner Position aus den entsprechenden Mann anzurufen und sich telefonisch nach dieser Fahrmarke zu erkundigen. Es dauerte nicht lange, da erfuhren sie, dass die Fahrmarke abgegeben worden war. Michael Bonhoff befand sich also im Stoß.
»Gut! Dann rufen Sie ihn jetzt dort unten an und sagen ihm, dass er über Tage kommen soll.«
»Warum?«
»Das ist eine Polizeiangelegenheit.«
Mit mürrischem Gesicht befolgte der Mann die Anweisung. Es dauerte fast eine Ewigkeit,
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